Aufarbeitung oder Versöhnung bei den Theologen

■ Kirche und Theologie in den Machtstrukturen der DDR war das Thema einer Klausurtagung des Fachbereiches Evangelische Theologie an der Humboldt-Universität/ Mißtrauen und Vorwürfe prägen das Verhältnis der Mitglieder zueinander

Mitte. Die theologische Fakultät der Humboldt-Universität beschäftigte sich gestern auf einer Klausurtagung mit dem Thema »Kirche und Theologie in den Machtstrukturen der DDR«. Anlaß dazu war, daß Teile der Fakultät begonnen hatten, sich gegeneinander zu richten. Mißtrauen und Vorwürfe prägen das Verhältnis der Mitglieder. Die Dozenten der ehemaligen Kirchlichen Hochschule Berlin-Brandenburg werfen den alten Humboldt-Professoren Staatshörigkeit oder sogar Stasi-Mitarbeit vor. Die Humboldtianer wiederum halten die Kirchliche Hochschule für einen Elfenbeinturm. In seiner Einleitung sagte Dekan Wolf Krötke, Theologen könnten sich mit dieser Situation nicht zufriedengeben. »Wenn dieser unser Beruf einen Wert haben soll, dann hat er für Klarheit zu sorgen«, sagte er. Diese Klarheit beziehe sich zuerst auf das Verhältnis zwischen Gott und den Menschen, von da aus aber auch gerade auf die Lebenswirklichkeit, in der Menschen verantwortlich seien.

In Kurzreferaten wurde auf verschiedene Aspekte der Problematik näher eingegangen. Gottfried Forck, Bischof im Ruhestand, referierte zum Versuch staatlicher Einflußnahme auf Kirchenleitung und -entscheidungen. Neben der offiziellen Ebene der Kontakte zu dem Staatssekretariat für Kirchenfragen und zur Regierung habe es auch informelle Kontakte wie Stasi-Besuche von Synodalen gegeben. Die Verstrickung von Kirche und Machtapparat aus der Sicht der Stasi-Akten war das Thema des Westberliner Kirchenhistorikers Gerhard Besier. Seiner Erkenntnis nach sei die Stasi häufig mit intellektuell kompetenten Leuten ausgestattet gewesen, ihre Mitarbeiter hätten sich an einigen Stellen sogar sehr einfühlsam verhalten. Für die Werbung informeller Mitarbeiter habe sie Notlagen ausgenutzt. Auch die Ausbildung von Theologinnen und Theologen war durch die Staatsorgane beeinflußt. »Die theologischen Ausbildungsstätten waren immer voll im Visier der Stasi und ihr Herangehen an einzelne Leute war psychologisch sehr ausgereift«, sagte Oberkonsistorialrat Ulrich Schröter. Keiner, der an dieser Sektion tätig war, habe sich aus den Machtstrukturen heraushalten können, bestätigte Dozent Harmut Ludwig. Mit der dritten Hochschulreform 1968 sei die Universität politisch und ideologisch gleichgeschaltet worden. Die Sektion mußte monatlich der Unileitung Bericht über die politische Situation in den einzelnen Studienjahren abliefern.

In der abschließenden Podiumsdiskussion wurde vor allem die Offenlegung der Vergangenheit und Ehrlichkeit in der Darstellung verlangt. Man wolle jedoch keine Gesinnungsforschung betreiben, sondern nach Wegen der Schulderkenntnis, des Schuldbekenntnisses und der Aufarbeitung suchen. cor