Privatisierungs-Profit schwindet dahin

Schwedens Regierung versucht, die Großfusion zwischen Volvo und Procordia noch zu verhindern  ■ Von R. Wolff und E. Single

Stockholm/Berlin (taz) — Die schwedische Regierung versucht, die geplante Fusion zwischen dem halbstaatlichen Mischkonzern Procordia und Volvo in letzter Minute zu verhindern. Das konservative Kabinett lehnte am Dienstag abend einen Zusammenschluß kategorisch ab und folgte damit dem Votum der staatlichen Privatisierungskommission. Die Privatisierungskommission, auf deren Verkaufsliste das stabile und glänzend verdienende Unternehmen Procordia an oberster Stelle steht, sieht in dem 38,7-Milliarden-Kronen-Geschäft (rund 10,6 Mrd. Mark) weder ordnungspolitische noch synergetische Effekte. In die neue Volvo AB, die künftig rund 115 Milliarden Kronen umsetzen soll, bringt Volvo Autos, Maschinen und Rüstungsgüter, Procordia Medikamente, Bier und Lebensmittel ein. Den Vorteilen für Volvo, so der Kommissionsvorsitzende Curt Nicolin, stünden gravierende Nachteile für die Procordia und vor allem für den Staat entgegen.

Das Schnäppchen der beiden Geschäftsleitungen hat die hochgesteckten Privatisierungspläne der Regierung schwer ins Schleudern gebracht. Schweden, das derzeit in seiner schwersten Wirtschafts- und Beschäftigungskrise der Nachkriegszeit steckt, wollte mit dem Verkauf von Staatsfirmen die heimische Wirtschaft umkrempeln, die sich zu 60Prozent in Staatsbesitz befindet. Als erstes von 35 Unternehmen sollte Procordia, an dem Volvo schon heute 43Prozent hält, auf den Markt geworfen werden. Die Regierung befürchtet nun, daß sich durch die Absprache der Geschäftsführungen die Privatisierung verzögert und ein späterer Verkauf weit weniger Geld in die leeren Staatskassen bringen würde. Der tatsächliche Börsenwert Procordias sei bei dem Deal zu niedrig angesetzt worden.

Sollte es so wie geplant zu der Transaktion kommen, würden die Volvo-Aktien um rund 22Prozent höher als der aktuelle Börsenwert gehandelt. Zudem entgehen dem Staat Steuereinnahmen von rund drei Milliarden Kronen, wenn Procordia seine von Volvo gehaltenen Aktien zur Hälfte des Börsenwerts kassiert. Ein Zusammenschluß der schwedischen Industriegiganten unter für sie günstigeren finanziellen Vorzeichen könnte die Regierung zum Umdenken bewegen.

Doch vorerst steckt das Stockholmer Kabinett in der Zwickmühle: Es besitzt keine Möglichkeit, das Geschäft der beiden Konzerne zu verbieten — auch nicht auf dem Weg des Aktienrechts. Falls die Hauptversammlung des Nahrungsmittel- und Pharmakonzerns Procordia zustimmt, wird den rund 170.000 Volvo-Aktionären ein Kaufangebot unterbreitet. Der Staat bestitzt 34Prozent der Procordia-Aktien, die ihm bislang ein Stimmrecht von über 44Prozent bescherten. Nach der Fusion soll die Staatsbeteiligung an dem neuen Mischmulti lediglich 25,6Prozent betragen. Das Aktienstimmrecht des Staates bliebe aber bei 44Prozent — ein für Volvo-Procordia nicht akzeptabler Zustand.

Kompromisse zwischen dem Konglomerat und der Regierung scheinen schon deshalb nahezuliegen, da mit der Fusion ein weiterer Deal vorbereitet werden könnte. Seit sich Procordia-Chefs Sören Gyll verplapperte, haben die Gerüchte über einen Zusammenschluß des Procordia-gestärkten Volvo-Konzerns und dem französischen Autobauer Renault neue Nahrung erhalten. Renault ist bereits in einer Über- Kreuz-Beteiligung mit knapp 10Prozent an der Volvo-Muttergesellschaft sowie mit 25Prozent an Volvo Car und 45Prozent an Volvo Truck beteiligt. Im Gegenzug wurde Volvo, das mit dem nachlassenden Autogeschäft ins Schleudern geriet, eine Option für 25Prozent der Renault-Anteile eingeräumt.

Angesicht der weltweit schlechten Autokonjunktur sieht Volvo- Chef Pehr Gyllenhammer ohnehin wenig Chancen für den Individualverkehr. Renault dagegen möchte gerne die Pkw-Produktion der beiden Firmen unter einen Hut bringen. Die Franzosen wollten den seit zwei Jahren mit Verlusten arbeitenden Volvo-Pkw-Bau ganz übernehmen, berichtete gestern nun die Stockholmer Wirtschaftszeitung 'Veckans Affärer‘, Volvo könnte die Milliarden aus einem Verkauf dann in gewinnträchtigere Procardia-Sparten investieren.

Der Steit um den Volvo-Procordia-Deal entpuppt sich aber auch als Kampf der beiden konkurrierenden schwedischen Wirtschaftsgiganten Volvo und Wallenberg (ABB). Während der Newcomer Volvo enge Verbindungen zu den 1991 nach mehr als einem halben Jahrhundert von der Macht abgelösten Sozialdemokraten besitzt, steht die jetzige Regierung dem Wirtschaftsimperium der Industriellenfamilie Wallenberg nahe. Die von der Regierung eingesetzte Privatisierungskommission ist mit dem Wallenberg-Konzern verbundenen Ökonomen durchsetzt. Auch der Privatisierungsminister Per Westerberg hat millionenschwere Interessen in Wallenberg-Unternehmen. Er wird bereits als „Wallenberg-Minister“ bespöttelt.