Notstandsplan für Teerhofbrücke

■ Staatsrat will mit „entschiedener Verrücktheit“ eine schiefe Brücke bauen

Als Baustaatsrat Jürgen Lüthge sein neues Ressort übernahm, fand er dort eine Sache, die war so verfahren, „da war nur mit entschiedener Verrücktheit“ wieder herauszufinden. Da gibt es eine Insel in der Weser, die ist inzwischen fast vollständig bebaut. Und zwischen den Häusern gibt es einen Platz, wo eine Brücke ankommen soll. Genau gegenüber liegt ein Schiff, und der Eigner des Restaurantdampfers setzt Himmel, Hölle, Anwälte und sonstwas in Bewegung, damit er dort nicht weg muß. Der Teerhof wird von der Teerhof GmbH bebaut, und die verkauft ihre Häuser und Gewerbeflächen mit der Zusage, daß diese Fußgängerbrücke bis zum Juli dieses (!) Jahres gebaut ist. Und wenn sie denn nicht gebaut wird, dann drohen der Stadt millionenschwere Schadensersatzprozeße.

Wie rauskommen aus dem Dilemma? Nachdem die Bundesbehörde „Wasser- und Schiffahrtsdirektion“ davon überzeugt werden konnte, daß größere Passagierdampfer in der Stadtmitte nicht zu erwarten sind und deshalb die vorgesehene Höhe zwischen Brücke und Wasser durchaus ausreichend ist, wurde jetzt auch eine Übereinkunft mit der Teerhof GmbH gefunden, die die Stadt vielleicht aus den ärgsten Zwängen befreit: Die GmbH, hinter der sich die Sparkasse und die Weser-Wohnbau GmbH, verbergen, baut die Brücke in Eigenregie und damit unbelastet von bürokratischen Zwängen, denen die Stadt als Bauherrin unterworfen wäre. Der Auftrag wird im EG-Amtsblatt angekündigt, was vielleicht EG-Geld locker machen hilft. Zu den 10 Millionen, die die Stadt zunächst für den Bau kalkuliert, kommen jetzt noch rund 800.000 Mark, die an den neuen Generalunternehmer zu überweisen sind. Und wenn das Bauwerk denn doch noch bis zum 1.10.1993 fertig wird, dann kommt die Stadt doch noch schadensersatzfrei davon. Diese Lösung wirkte auf die Baudeputation so überzeugend, daß sie die Verwaltungspläne gestern ohne Gegenstimme absegnete.

Soweit prima: Doch die Rechnung ist immer noch ohne den Wellewirt gemacht. Und da der bei Verhandlungen in den letzten Tagen seine Forderungen laut Lüthge in astronomische Höhen schraubte, will die Stadt nun nicht mehr verhandeln, sondern den Spruch des Verwaltungsgerichtes abwarten. Das wird in Eilverfahren voraussichtlich bis April entscheiden, ob die Stadt den Wirt zwingen darf, seine Anker 20 Meter weiter flußaufwärts zu werfen. Und wenn nicht? „Ich will zwar, daß die Brücke grade gebaut wird“, sagt Lütge, „aber wenn wir vor Gericht unterliegen, dann bauen wir sie eben schief, knapp an der Welle vorbei.“ Eine Lösung, der Lüthge im Zweifelsfall sogar noch etwas Positives abgewinnen kann: „Dann werden wir so berühmt wie Pisa.“ hbk