„Eine Firma zum Wohl der Gemeinde“

H+H Metalform, im Verdacht, beim irakischen Atombombenprogramm beteiligt zu sein, hat ihren Sitz in einer Kleinstadt/ Dort möchte man über den Skandal nicht reden, muß es aber doch  ■ Von Bettina Markmeyer

Drensteinfurt (taz) — An der roten Klinkerwand im Eingang der Drensteinfurter Stadtverwaltung hängt eine Tafel. Hier ist notiert, worauf der Ort stolz ist. Wegen seiner günstigen Lage an der weit und breit einzigen Furt durch die Werse wurde Drensteinfurt bereits im 9. Jahrhundert urkundlich erwähnt, das steht links auf der Tafel. Rechts prangt unter Sparkasse, Autohaus und Baugeschäft das Emblem der Firma H+H Metalform. Bis vor zweieinhalb Jahren galt H+H als Musterbetrieb. Heute beschert die Firma als wichtigster Drahtzieher der kriminellen deutschen Unterstützung für die irakische Atomwaffenproduktion der Stadt Drensteinfurt unschöne Schlagzeilen. Doch seinen Rang auf der Rathaus-Tafel hat H+H Metalform behauptet.

Stadtdirektor Werner Wiewel zeigt denn auch den nötigen Sportsgeist: „Aus Gründen der Fairneß dem ansässigen Unternehmen gegenüber“ werde er nichts sagen — zu den Geschäften von H+H nicht, zu den Folgen dieser Geschäfte für Drensteinfurt auch nicht. Der kleine Mann im grünen Sakko läßt die Tür zu seinem Büro kaum los, hinter der er gleich wieder verschwindet: „Kein Wort!“ Wiewel hatte 1983 die Ansiedlung von H+H eingefädelt. Der Kaufmann Peter Hütten und der Diplomingenieur Dietrich Hinze nahmen intime Kenntnisse und internationale Kontakte aus der Ahlener Firma Leifeld und Co. mit, bei der sie bis dahin angestellt waren, und machten auf der grünen Wiese im Drensteinfurter Gewerbegebiet Viehfeld ein Konkurrenzunternehmen auf. Es war ein tüchtiger Stadtdirektor, dem es gelang, einen vielversprechenden Steuerzahler zu angeln. Es dauerte keine fünf Jahre, bis das Irak-Geschäft bei H+H Metalform lief. Das Unternehmen, das für sein vieleckiges, der Stadtverwaltung wie ein Zwilling gleichendes Klinkergebäude samt Grünanlagen und Teich-Ökoecke den dritten Preis beim 1989er Wettbewerb um den „schönsten Betrieb im Kreis Warendorf“ erhielt, wurde drittgrößter Gewerbesteuerzahler in Drensteinfurt.

Ebendieser Erfolg macht den Stadtoberen heute Kummer. Seit den Berichten über die Entwicklungshilfe der Herren Hinze und Hütten für Saddam Hussein ging der Umsatz bei H+H zurück — und damit auch die Gewerbesteuer. Die diesjährigen Haushaltsverhandlungen offenbarten tiefe Ebbe in den Kassen.

Und geblieben ist seit dem Golfkrieg die „saublöde Diskussion“, wie Wiewels Parteifreund und Vorsitzender der Werbegemeinschaft, Thomas Volkmar, schimpft. Im übernächsten Sommer zum Beispiel steigt das große Fest zum 400jährigen Bestehen der Schützen. Die Werbegemeinschaft geht schon jetzt die Sponsoren durch. Und wie neuderdings immer hakt es bei H+H. „Acht Leute sitzen am Tisch, die wollen die Firma ansprechen, ob sie Geld gibt, und zwei sind total dagegen!“ Thomas Volkmar ist für Ansprechen, solange H+H nicht verurteilt sei, dürfe man das Unternehmen zu Hause „nicht an die Seite drücken. Schließlich verdienen da auch Drensteinfurter ihr Geld!“

Aber die „saublöde Diskussion“ läßt sich nicht abwürgen. Auch Volkmar, der mit seinem Bruder nebenbei einen Getränkehandel betreibt, ist nicht gefeit. Wenn er Bier für ein Betriebsfest zu H+H ins Gewerbegebiet fährt, muß er befürchten, daß ein paar Tage später ein Leserbrief in der Zeitung steht. „Da heißt das dann, das Bier, daß die mir bezahlen, ist bezahlt mit dem Blut der armen Iraner oder sonstwem“, empört sich der Getränkelieferant. Immerhin hat man aber vor den Kulissen Haltung bewiesen. Für die CDU, so Volkmar, war H+H Metalform jedenfalls „nie ein Thema“. Und auch Alfons Strukamp findet, daß es nicht angehen kann, „eine Firma, die zum Wohle der Gemeinde arbeitet, in einer Ratssitzung zu diffamieren“. Strukamp ist Rentner und in der FDP. Jetzt, im Winter, sitzt er in seinem Kötterhaus in der Bauernschaft Mersch, raucht, wartet, daß seine Frau vom Einkaufen wiederkommt, und langweilt sich ein bißchen.

Strukamp ist schon jahrelang in der Kommunalpolitik. 27 Prozent hat er einmal in seinem Wahlkreis geholt. Jürgen Möllemann schenkte ihm dafür den Prachtband Der Deutsche Bundestag mit einer Widmung an „Mister 27%“. Das war an Strukamps sechzigstem Geburtstag vor fünfeinhalb Jahren. Da tauchte Möllemann noch um viertel nach elf „mit all seinen Bewachern“ auf, tanzte und griff zum Mikrofon, um dem Geburtstagskind ein Ständchen zu bringen: Hoch auf dem gelben Wagen. Zu Drensteinfurt hat der heutige Wirtschaftsminister einen guten Draht, das weiß jeder. Für die Gründungsveranstaltung des FDP-Ortsvereins ließ er einen seiner Fallschirme aufspannen. „Das ist einer, der was für seinen Wahlkreis tut“, meint Strukamp anerkennend. Und kein schlechtes Wort über den Minister: „Wir haben zwar Bier miteinander getrunken, aber über irgendwelche Firmen ist nie geredet worden.“ Für Strukamp ist, was H+H vorgeworfen wird, im übrigen fast das normale Geschäft.

Nur zwanzig Häuser und ein paar asphaltierte Feldwege weiter in der flachen, vom Rauhreif weißen Landschaft wohnen Angenendts, für die die H+H-Machenschaften sehr wohl ein Skandal sind. Auf dem Biohof des Lehrerehepaars und ihrer vier Kinder schlägt das Herz des anderen Drensteinfurt. Am Tisch in der hohen, quer durch alle Stilrichtungen möblierten Wohnküche wird heftig über jeden neuen Beweis gegen H+H und die Rolle des Wirtschaftsministers im Wahlkreis spekuliert. Der Ofen ist darüber fast ausgegangen, Waltraud Angenendt fröstelt in ihrem schwarzen Pullover.

Während des Golfkriegs unterstützten sie und ihr Mann die erste und einzige Drensteinfurter Demo, sie sammelte Unterschriften und unterstützte einen Bürgerantrag, der verlangte, die Stadt solle die Gewerbesteuer von H+H Metalform für die Golfkriegsopfer spenden. Wenigstens aber, beantragte Angenendt im Namen der SPD, solle die Stadt dem Friedensdorf in Oberhausen 20.000 Mark spenden. „Natürlich lehnten sie alles ab. Das sei eine Vorverurteilung der Firma.“ Nach jener aufgeregten Ratssitzung wurde im Rat nie wieder über H+H Metalform gesprochen. Doch die Angenendts geben nicht auf. Waltraud Angenendt hat den Antrag aufbewahrt: „Wenn H+H verurteilt werden sollte, stellen wir ihn noch einmal. Dann können sie sich jedenfalls nicht mehr damit herausreden, daß das eine Vorverurteilung ist.“