Ein traditioneller Rüstungsexporteur

■ Seit mehr als fünfzig Jahren exportiert die Tschechoslowakei Rüstungsgüter

„Die Tschechoslowakei ist ein traditioneller Rüstungsexporteur.“ Maria Lodahl vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) kann die Geschichte der Waffengeschäfte der CSFR bis in die dreißiger Jahre zurückverfolgen. Damals habe der Schwerpunkt der Rüstungsindustrie im tschechischen Pilsen gelegen, nach dem Krieg sei ein Großteil der Waffenhersteller aber in die Slowakei verlagert worden. In Martin an der Hohen Tatra, einem traditionellen Armenhaus der Republik, sei die ZTS, eine der größten Rüstungsschmieden des Landes, aus dem Boden gestampft worden. Immerhin 250 Kampfpanzer vom Typ T-72 habe die Tschechoslowakei jährlich hergestellt, weiß Hans-Joachim Gießmann vom Institut für Friedensforschung und Sicherheitspolitik in Hamburg.

Mit der Ablösung des kommunistischen Regimes in Prag gerieten auch die Waffenhersteller des Landes erheblich unter Druck. Eine umfassende Konversion der Rüstungsindustrie wurde beschlossen. 58.000 Arbeitsplätze sollten in dem Sektor verlorengehen, verkündete Wirtschaftsminister Vladimir Dlousy im Mai 1991.

Dahinter standen nicht nur hehre Ziele: Große Teile der Rüstungsindustrie wären ohnehin nicht zu halten gewesen. Mehr als 50 Prozent der Produktion hatte das Land bis dahin in die Bruderstaaten des Warschauer Paktes abgesetzt. Dieser Markt existierte nicht mehr. Und auch der heimische Bedarf ging rapide zurück. Hatte das Land im Wiener Abrüstungsabkommen bereits zugesagt, die Zahl seiner gepanzerten Fahrzeuge von 4.500 auf 3.500 zu reduzieren, so gingen die Prager Regierungspolitiker später weit darüber hinaus. Sie kündigten eine Verminderung auf 2.000 Stück an. Nur der Export in die Dritte Welt, etwa 17 Prozent der Produktion, lief weiter vielversprechend.

Die Halden in Martin, im westslowakischen Povazska Bystrica und im ZTS-Schwesterwerk Dubnica vergrößern sogar die Versuchung zum Export nach Süden. Einen fertiggestellten 40-Tonnen-Panzer wieder zu verschrotten kostet rund 35.000 Mark. „Da ist es sogar billiger, ihn zu verschenken“, sagt Friedensforscher Gießmann. Und die 1.500 Panzer, die die Regierung über das Wiener Abkommen hinaus abrüsten will, werden in ihrer Zerlegung nicht kontrolliert.

Zu alledem kommt noch die strukturelle Komponente: Der Zusammenbruch der Rüstungsindustrie ist besonders für die Slowakei ein arbeitsmarktpolitisches Problem. 38.000 der 58.000 Arbeitsplätze gehen dort verloren. Fast schon verzweifelt versuchte die CSFR deshalb einen Teil ihres internationalen Waffenhandels als Devisenquelle aufrechtzuerhalten. Sogar Staatschef Vaclav Havel setzte sich für den Export von Semtex, des umstrittenen Sprengstoffs, ein. Semtex war in die Schlagzeilen geraten, weil die Lockerbie-Bombe aus dem Stoff bestanden haben soll. Sogenannte Lieferverpflichtungen für T-72-Panzer, die nach Syrien gingen, hielt das Land trotz internationaler Kritik ein. Hermann-Josef Tenhagen