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Bundesmarine stoppt Panzer auf hoher See

■ Die Bundesmarine hat gestern auf Weisung des Kanzleramtes den deutschen Frachter Godewind im Mittelmeer gestoppt. Grund des nicht alltäglichen Auftrags: An Bord befinden sich 16 Panzer des Typs...

Bundesmarine stoppt Panzer auf hoher See Die Bundesmarine hat gestern auf Weisung des Kanzleramtes den deutschen Frachter Godewind im Mittelmeer gestoppt. Grund des nicht alltäglichen Auftrags: An Bord befinden sich 16 Panzer des Typs T-72 aus der Tschechoslowakei, die nach Syrien geliefert werden sollten. Ein Schiff der Bundesflotte eskortiert den Frachter auf dem Rückweg. Die Staatsanwaltschaft ermittelt, ob gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz verstoßen wurde.

Heiße Fracht auf der „Godewind“: beladen mit 16 Panzern des modernsten sowjetischen Typs T 72 aus tschechoslowakischen Beständen befindet sich das deutsche Schiff seit Mittwochabend auf dem Rückweg in einen norddeutschen Hafen. Eskortiert wird die „Godewind“ von einem Schiff der Bundesmarine, die den Frachter mit dem brisanten Militärgerät im Mittelmeer stoppte und die Weiterfahrt nach Syrien verhinderte. Dorthin nämlich sollten die Panzer geliefert werden.

Eine Geschichte der Merkwürdigkeiten, die Regierungssprecher Schäfer gestern in Bonn offenbarte. Übt die Bundesmarine außerhalb der Nordsee, wie man Schiffe zwar nicht gerade versenkt, aber doch aufbringt? Wer hat ermittelt, was die Godewind transportiert und wohin? Nicht gerade neu, darum aber nicht besser ist, daß die CSFR offensichtlich modernste Militärgüter in harte Devisen verwandelt — wie aber kommen die Panzer auf ein Schiff der deutschen Reederei?

Der Vertrag zwischen der Tschechoslowakei und Syrien über die Lieferung von 250 Panzern wurde nach Angaben eines Prager Ministeriumssprechers Anfang 1991 unterzeichnet. Der Transport habe sich wegen des Golfkrieges verzögert. Die polnische Hafenstadt Stettin sei wegen des Bürgerkrieges in Jugoslawien und der Unmöglichkeit eines Schienentransports als Transporthafen gewählt worden. Der Export der 250 Panzer ermögliche der Tschechoslowakei den Kauf von „mehreren tausend Traktoren“. Nach Informationen aus Prag wurden die Panzer von der slowakischen Unternehmen „ZTS Martin“ hergestellt und der auf Waffenexporte spezialisierten Gesellschaft „Unimpex“ exportiert. Zeitungsberichten zufolge betrug der Preis für ein Kettenfahrzeug des Typs T 72 rund 700.00 Dollar (rund 1,1 Millionen Mark).

Die Staatsanwaltschaft in Kiel ermittelt jetzt, wie die Panzer auf das Schiff einer deutschen Reederei kommen.

Die „Godewind, ihr Kapitän oder ihre Reederei, steht unter Verdacht des Verstoßes gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz (KWKG). Danach steht nämlich auch der Transport entsprechenden Materials unter Genehmigungspflicht.

Mit einer sonst nicht unbedingt gewohnten und gerade in jüngster Zeit nicht üblichen Tatkraft und Konsequenz demonstriert die Bundesregierung in diesem Fall, daß derlei nicht geht — sie hat es allerdings auch nötig. Die getarnten NVA-Panzerlieferungen an Israel, die in einer Gemeinschaftsaktion von BND und Verteidigungsministerium abgewickelt wurden, fielen erst nach Wiederholungsfällen auf.

Die „Godewind" hatte mit den Panzern an Bord am 12. Januar den polnischen Hafen Stettin verlassen. Am 15. und 16. Januar legte sie im Hamburger Freihafen an, um einen Kranbagger für den italienischen Hafen Augusta auf Sizilien zuzuladen. Den bundesdeutschen Nachrichtendiensten lagen schon seit Anfang Januar Hinweise auf bevorstehende Panzertransporte aus dem ehemaligen Ostblock nach Syrien vor. Späher des Bundesnachrichtendienstes, so war gestern aus einer inoffiziellen Quelle in Bonn zu erfahren, „waren am Informationsfluß nicht unwesentlich beteiligt.“ Konkrete Informationen über die Beteiligung des deutschen Frachters Godewind seien jedoch erst diese Woche eingelaufen.

Der für die Nachrichtendienste zuständige Koordinator im Bundeskanzleramt, Bernd Schmidbauer, wurde am Mittwochabend informiert und richtete einen Arbeitsstab ein, an dem auch Justiz-, Innen- und Verkehrsministerium beteiligt sind. Ein Beamter des Bundeskanzleramtes gestern gegenüber der taz: „Es wurde sofort gehandelt.“ Es wurde beschlossen, das Schiff zurückzurufen.

Über Radio Norddeich wurde der Kapitän der Godewind angefunkt, auf die Strafbarkeit seiner Handlung hingewiesen und zur sofortigen Rückkehr aufgefordert. Zusätzlich wurde ein Schiffsverband der Bundesmarine, der sich mit Kurs aufs Schwarze Meer zufällig in der Nähe des Frachters befand, um Mithilfe gebeten. Eines der Schiffe eskortierte die „Godewind“ auf dem Rückweg in einen deutschen Hafen. Das Bundeskanzleramt legte gestern Wert auf die Feststellung, das der Kapitän freiwillig Kurs Heimat beidrehte und keinesfalls von der Bundesmarine dazu gezwungen wurde. Welchen Hafen die „Godewind“ anlaufen wird, war gestern noch nicht zu erfahren. Bei den Schiffsmeldeämtern in Bremerhaven und Hamburg, so deren Sprecher gegenüber der taz, war der Kahn bis gestern nachmittag jedenfalls nicht avisiert.

Geheimdienstkoordinator Bernd Schmidbauer kommentierte die „sehr schnelle Operation“ der Bundesregierung gestern in Bonn: „Ich hoffe sehr, dieser Vorgang wird von der Verkehrswirtschaft als eindeutiges Signal verstanden, daß der Transport von Kriegsmaterial ohne behördliche Genehmigung strikt verboten ist!“ Nach Auskunft des Bundespresseamtes will mit den Bundesregierung die Behörden in Prag und Warschau, also des Herkunfts- und des Transitlandes des Waffentransportes, in Kontakt treten, um die Hintergründe des Deals aufzuklären. Das Schicksal der Panzer war gestern unklar: Sie könnten sowohl von den Bundesbehörden ersatzlos konfisziert als auch an den Absender zurückgeschickt werden.

Nicht zum ersten Mal in den Schlagzeilen

Die „Godewind sorgt nicht zum ersten Mal für Schlagzeilen. Zumindest norddeutschen AtomkraftgegnerInnen ist das 999 Bruttoregistertonnen große Schiff der Reederei Karl-Heinz Baase wohlbekannt. Denn bis Mitte 1990 fungierte es als Atomfrachter. Regelmäßig wurde die „Godewind“ in Hamburg mit frischen Brennelementen für Atomkraftwerke in Schweden und Finnland beladen. Eingestellt wurden diese Transporte zum einen, weil dieser Atomumschlag im Hamburger Hafen ebenso regelmäßig von Protestaktionen und Blockaden begleitet wurde, zum anderen, weil „Zweifel an der atomrechtlichen Zuverlässigkeit“, so die Hamburger Umweltbehörde, aufkamen.

Denn in drei Fällen ergaben Kontrollen, daß die „Godewind“ mehr Atombrennstoff an Bord hatte, als die Genehmigung erlaubte. Die deshalb gestellten Strafanzeigen schmoren aber offensichtlich immer noch bei der Staatsanwaltschaft in Hanau, die zuständig ist, weil die Brennelemente dort bei Siemens gefertigt wurden.

Aufgeschreckt durch die Meldungen über den jetzigen Waffentransport, hat der zuständige Sachbearbeiter in der Umweltbehörde gestern erst einmal einen Erinnerungsbrief nach Hanau geschickt. Die Überladung war allerdings nicht das einzige, woran die Umweltbehörde Anstoß nahm. Mit einem Ordnungsgeld wurde das Fehlen von Sicherheitspapieren geahndet, dann sorgte der Antrag auf Reduzierung der Schiffsbesatzung für Wirbel und schließlich warf die Kollision mit einem anderen Frachter in der Ostsee Fragen nach der Sicherheit der strahlenden Fracht auf. All das sorgte dafür, daß die Reederei Baase seit Mitte 1990 aus dem Atomgeschäft heraus ist. Wie und wann sie ins Waffengeschäft eingestiegen ist, war gestern noch unklar.

„Kein Kommentar“, hieß es von Seiten der in Hörsten bei Rendsburg ansässigen Reederei. Selbst auf die Frage, ob das Schiff derzeit überhaupt für Baase fährt oder vielleicht verchartert ist, wollte man nicht beantworten. Ebenso unkooperativ zeigte sich der Hamburger Schiffsmakler, der zumindest den Teil der Ladung vermittelt hat, der in Hamburg an Bord genommen wurde. Denn vor zwei Wochen machte die „Godewind“ von Stettin kommend, wo die Panzer aufgeladen wurden, wieder einmal in Hamburg fest. Im Freihafen wurde ein Bagger für Sizilien an Bord genommen. Daß die Panzer dabei nicht entdeckt wurden, erklären Experten damit, daß eine Ladung nur kontrolliert werde, wenn sie auf- oder abgeladen werde. Außerdem gilt die Reederei Baase in Schiffahrtskreisen als durchaus seriöses Unternehmen. Schließlich waren die Atomtransporte nicht illegal.

Die Reederei Baase ist ein alteingesessenes Unternehmen mit langer Tradition. Insgesamt acht Schiffe sind unter dem Namen Baase in der Liste deutsche Seeschiffe registriert. Die Godewind ist das größte Schiff der Reederei. Die Frachter sind für Holz, Stückgut und Container ausgelegt. Ihr Fahrtgebiet umfaßt normalerweise die Nord- und Ostsee, aber auch Reisen ins Mittelmeer gehören zu den üblichen Törns. Ob und wieviel Schiffe Baase ausgeflaggt hat, ist unbekannt. Der Transport tschechoslowakischer Panzer von Polen nach Syrien auf einem liberianischen Frachter hätte nicht gegen das deutsche Kriegswaffenkontrollgesetz verstoßen können. Wegen dieses Deliktes aber ermittelt jetzt die Kieler Staatsanwaltschaft gegen den Reeder. T. Bruns und K. Fabig

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