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Bremen hilft Daimler rationalisieren

■ Staat und Großunternehmen gründen ein Institut zum Wissenschaftstransfer

Der Bremer Senat will in den nächsten fünf Jahren rund fünf Millionen Mark in die Rationalisierung Bremer Großunternehmen wie Mercedes-Benz und Vulkan investieren. Zu Übernahme dieses Betrags hat das Land sich gegenüber dem gestern offiziell eröffneten „Institut für angewandte Systemtechnik“ (ISYTEC) verpflichtet.

Neben dem Land Bremen mit 25 Prozent gehören Daimler mit 25 und der Bremer Vulkan mit 30 Prozent zu den Hauptgesellschaftern des Instituts. Seit Ende letzten Jahres arbeiten die 15 ISYTEC-MitarbeiterInnen mitten auf dem Uni-Gelände im Auftrag der Großunternehmen an der Verbesserung industrieller Produktionabläufe. Der Senat hat sich verpflichtet, für die ersten fünf Jahre rund 50 Prozent des Jahresumsatzes von ca. zwei Millionen Mark als Zuschuß zu gewähren.

„Unser heute schon guter Erfahrungsaustausch mit der Bremer Universität bekommt durch ISYTEC jetzt eine neue Qualität“, freute sich der Mercedes- Benz-Vorstandsvorsitzende Werner Niefer gestern bei der Eröffnungsfeier im Bremer Rathaus. ISYTEC werde hochkomplexe Produktionsabläufe gründlich analysieren „und Vorschläge für eine schlanke Produktion machen“. Was Niefer damit meint, illustrierte er an einem Beispiel: „Während in Japan 350 Menschen 350 Mittelklasseautos am Tag bauen, brauchen wir dafür 2.000 Menschen.“ Beiträge zur Erarbeitung entsprechender Rationalisierungsmaßnahmen bei Mercedes-Benz erwartet Niefer nun auch von dem Bremer Institut.

Während der eigentlich gar nicht zuständige — die Senatsbeteiligung bei ISYTEC wird als Wirtschaftsförderung verbucht — Wissenschaftssenator Henning Scherf gestern die Kooperation der beiden Großunternehmen Vulkan und Daimler mit Staat und Wissenschaft gestern über den grünen Klee lobte (vgl. auch nebenstehendes Interview), hielt sich ein anderer dezent zurück: Uni-Rektor Jürgen Timm saß zwar im Festpublikum, ergriff jedoch selber nicht das Wort.

„Wir hatten zunächst überlegt, als Universität ebenfalls Gesellschafter bei ISYTEC zu werden“, sagte Timm anschließend gegenüber der taz, „doch dann haben wir uns aus dem sehr direkt anwendungsorientierten Institut wieder zurückgezogen.“ ISYTEC soll zwar nicht nur seinen eigenen Gesellschaftern für Forschungsaufträge zur Verfügung stehen, doch bei allen Forschungsarbeiten geht es um die Erforschung konkreter Rationalisierungsmaßnahmen in Industrieunternehmen.

Festredner Günter Spur, Leiter des Berliner Fraunhofer-Instituts, brachte das Interesse an ISYTEC unter großem Applaus auf den Punkt: „Die Professorenschaft muß das eigene Wissen in die Industrie kanalisieren. Auch Forschung muß vermarktet werden.“ Auf dem „Weltforschungsmarkt“ sei dabei nicht zuletzt auch großes Geschick im Akquirieren von Staatssubventionen gefragt. „Die Bundesrepublik trägt zum Beispiel 30 Prozent des Forschungsetats der EG“, sagte Spur, „holt aber nur 25 Prozent davon wieder zurück nach Deutschland. Dabei müßten es eigentlich — marktwirtschaftlich gedacht — sogar über 30 Prozent sein.“

Bei einem der ersten Projekte, an denen ISYTEC arbeitet, geht es um die Perfektionierung der PKW-Montage im Bremer Mercedes-Werk. „Wir müssen versuchen, die Mensch-Maschine- Schnittstelle zu optimieren“, sagte der Bremer Werlsleiter Dietrich Zeyfang. Die Fehlerquote in der Fließband-Montage soll damit gesenkt und das „Verantwortungsgefühl bei allen an der Ausführung Beteiligten erhöht“ werden.

Die Bremer Lagerhausgesellschaft, eine der kleinen ISYTEC- Gesellschafterinnen, läßt von dem neuen Institut die Computersteuerung von vier neuen Containerbrücken für überbreite Schiffe überarbeiten. Dabei geht es vor allem darum, Möglichkeiten zur Wartung und Fortentwicklung des komplexen Systems zu finden, die keine Unterbrechung der Umschlagsarbeiten erfordern. Dirk Asendorpf

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