Wie Ex-Bausenator Franke in Frankfurt zeigte, wie man Geschäfte macht
: Teurer Helfer fürden Aufschwung Ost

■ Nach der kurzen Amtszeit des ehemaligen Bausenators Klaus Franke als Wirtschaftsstadtratin Frankfurt/Oder beschäftigt sich nun...

Teurer Helfer für den Aufschwung Ost Nach der kurzen Amtszeit des ehemaligen Bausenators Klaus Franke als Wirtschaftsstadtrat in Frankfurt/Oder beschäftigt sich nun die Staatsanwaltschaft mit den hinterlassenen Geschäften des CDU-Politikers — Die Spur führt zurück zu den engen Beziehungen der Berliner Bauwirtschaft, über die der Senator einst stolperte

VON EVA SCHWEITZER

Eisschollen treiben auf der Oder, am östlichen Rand der neuen Bundesrepublik. Hier, inmitten der märkischen Birkensteppe, ist Polen in Sichtweite, russische Uniformen gehören zum Stadtbild. »Zufrieren darf die Oder nicht, sonst kommen alle rüber«, sagt mißbilligend der Fahrer des Lada-Taxis. Aber Frankfurt an der Oder kann inzwischen auch einige westliche Elemente vorweisen: Ein paar Pizzerias, ein Kino und mehrere umstrittene Grundstücksgeschäfte unter der Ägide eines Westberliner Imports: des ehemaligen Wirtschaftsstadtrats Klaus Franke.

Befehdet von Frankfurter BürgerInnen wird vor allem der Verkauf des Naherholungsgebiets Helenesee, im Volksmund zärtlich »Helene« genannt, an die Westberliner Sorat GmbH. Denn daß sich Sorat- Geschäftsführer Penz und der Ost- Helfer Franke schon lange vorher kannten, ist hochwahrscheinlich. Das brandenburgische Innenministerium bestätigte immerhin Ende Dezember, daß dieser Verkauf zum wirtschaftlichen Nachteil der Oderstadt gewesen sei. Und seitdem ermittelt sogar die Frankfurter Staatsanwaltschaft gegen Franke und Oberbürgermeister Wolfgang Denda (SPD) wegen Untreue zum Nachteil der Stadt.

Der heute 68jährige, nichtsdestotrotz aber energische Franke war vom Juni 1990 bis zum Februar 1991 Wirtschaftsdezernent in der Oderstadt für die CDU — in einer großen Koalition mit dem Neuen Forum und der SPD und ihrem Oberbürgermeister Denda. Franke hatte während dieser Zeit jedoch »nicht alle Brücken« nach West-Berlin hinter sich abgebrochen, wie er dem 'Tagesspiegel‘ erzählte. Das ist offenkundig: In Frankes Amtszeit hat die Stadt den Verkauf des »Oderturmes«, eines 24 Stockwerke hohen Hauses mit 40.000 Quadratmetern Bürofläche nebst Nebengebäuden mitten in der Stadt für 43 Millionen Mark an den Westberliner Baulöwen Dietmar Otremba vorbereitet. Gleichzeitig verhandelten Stadt und Treuhand über den Verkauf des Hotels »Stadt Frankfurt« plus eines 13.000 Quadratmeter großen Grundstücks für 12 Millionen Mark an die Klingbeil-Gruppe, ebenfalls aus West-Berlin. Beide Firmen bekamen den Zuschlag, obwohl Mitbewerber bis zum Doppelten des Verkaufspreises geboten hatten, so der Leiter der Treuhandanstalt, Hans Lürken.

Preise wie am Starnberger See

Während dies jedoch noch im Rahmen des in der Ex-DDR üblichen liegt, wurde die »Helene« mit Wäldern und Stränden, Campingplätzen, Imbißbuden und Bungalows noch in Frankes Ägide an die Sorat Hotel- Verwaltung GmbH regelrecht verschleudert. Es hat weder eine Ausschreibung gegeben, noch wurde die Öffentlichkeit rechtzeitig informiert. Letzteres sei, so der Sprecher der Bürgerinitiative Helenesee, Wolfgang Wallroth, eine Verletzung der Kommunalverfassung. Sorat- Geschäftsführer Penz zahlt an die Stadt für das fast 500 Hektar große Gelände in den ersten drei Jahren 100.000 Mark Pacht jährlich, danach drei Prozent des Nettoumsatzes, mindestens aber 100.000 Mark. Das entspricht einer Jahrespacht von zwei Pfennig pro Quadratmeter. Die Stadtverwaltung, die den See zuvor bewirtschaftet hatte, hatte in guten Jahren bis zu einer Million DDR-Mark an Eintrittsgeldern, Camping- und Parkgebühren eingenommen — kein Wunder, fahren doch an Wochenenden Zehntausende von Frankfurtern, Eisenhüttenstättern und Gubenern zur »Helene«. Der Vertrag gilt 20 Jahre mit einer Option auf weitere zehn Jahre. Penz verpflichtet sich, mindestens sieben Millionen Mark in den nächsten drei Jahren in seinen »Freizeit- und Campingpark Helenesee« zu investieren. Wird der Pachtvertrag gekündigt oder einvernehmlich aufgelöst, muß die Stadt diese Investitionen zum Zeitwert ersetzen. Zudem muß die Stadt die Kosten tragen, um die Wasserqualität zu erhalten. Und, nicht zuletzt: Penz kann die Eintrittspreise und die Weiterverpachtungspreise von Teilen des Geländes frei vereinbaren.

Und just davon macht Penz nun Gebrauch, zum Ärger der gut dreihundert Pächter von Camping- und Wohnwagenplätzen, die sich am Dienstag dieser Woche im Saal des ehemaligen Kreiskulturhauses zusammendrängelten, die Fäuste in den Taschen geballt. »Ich soll jetzt zweetausend Mark im Jahr für meinen Wohnwagen zahlen, du Strolch, und sechshundert krieg' ich Arbeitslosenunterstützung«, schreit ein stämmiger kleiner Mann Helmuth Penz an, der mit starrem Gesicht auf dem Podium sitzt. Bis zu 2.500 Mark für den Stellplatz will Penz von den Kleinpächtern im halben Jahr haben. Das ist fast so teuer wie am Starnberger See. 300 bis 800 Mark hatten die Frankfurter zu DDR-Zeiten bezahlt. »Wir haben den Eindruck, daß wir hier rausgedrängt werden sollen, um für reiche Westberliner Platz zu machen«, wirft Hartmut Zilinski unter Beifall in den Saal. Zilinski ist der Vorsitzende der BI Helenesee, die sich derzeit zum Interessenverein formiert.

Das Land Brandenburg leistet der Bürgerinitiative zumindest moralisch Schützenhilfe. Der im Vertrag verwandte Begriff Nettoumsatz sei unklar, so Professor Muth vom Innenministerium in einem Brief an die BI. Womöglich bestünde für den Pächter die Möglichkeit, den Nettoumsatz durch Zinsen oder Abschreibungen zu verringern. Die im Vertrag aufgeführte Investitionssumme sei zu gering und der Pächter könne sich, wenn er die Investition nicht erbringe, auf fehlendes Verschulden berufen. Die Regelung über die Wasserqualität benachteilige die Stadt, denn die Stadt hafte immer, der Pächter aber nur, wenn er an einer Wasserverschmutzung schuld sei. Trotzdem sei der Vertrag, nun einmal vom Oberbürgermeister unterschrieben, formalrechtlich gültig, so Muth.

Aus Sicht der Sorat GmbH — beziehungsweise deren Tochtergesellschaft Helenesee KG — sieht das alles ganz anders aus. Die Preise für die Campingpächter habe man erhöhen müssen, denn die Zuschüsse, die die Betriebe zu DDR-Zeiten gezahlt hätten, fielen nun weg, erklärte Sorat-Mitarbeiter Fischer, der übrigens früher in der Frankfurter Stadtverwaltung für die Bewirtschaftung des Helenesees zuständig war. Laut Penz habe die »Freizeitzentrum Helenesee KG« letztes Jahr sogar einen Verlust von 326.000 Mark gemacht. Denn wegen des schlechten Wetters seien nur 605.000 Besucher gekommen, deshalb sei der Umsatz bei nur 2,9 Millionen Mark gelegen. Davon seien hohe Personal- und Verwaltungskosten abzuziehen, sagt Penz; diese gehen — was er nicht sagt — zum Gutteil an seine eigenen Firmen, etwa die Bewachungsfirma Boss.

Nun ist es bei Kommanditgesellschaften auch der Sinn der Sache, Verluste zu machen, sonst bekämen die Kommanditisten keine Verlustzuweisung für ihre Steuer. Wie die Bilanz der Muttergesellschaft Sorat GmbH aussieht, darüber schwieg Penz sich aus. Um so ausführlicher widersprach er Gerüchten, bei der Vertragsvergabe sei es nicht mit rechten Dingen zugegangen. Zwar stamme er wie Franke aus West-Berlin, so Penz, aber man habe sich erst in Frankfurt an der Oder kennengelernt. Er, Penz, habe zufällig, im August 1990 von Cottbus kommend, den Helenesee erblickt. Daraus könnte man etwas machen, habe er gedacht und sich an den Wirtschaftsstadtrat Franke gewandt. Und im Dezember 1990, nach diversen Gesprächen habe er eben diesen Pachtvertrag unterschrieben.

Frankes Verbindungen

Diese Version halten die Frankfurter eher für ein Sommermärchen. Denn im Westberliner Baugeschäft sind die Beziehungen eng vernetzt, und Franke steckt nicht erst seit gestern mittendrin. Der ehemalige Fregattenkapitän, seit 1955 CDU-Mitglied und Geschäftsführer verschiedener Firmen, sitzt seit 1964 im Abgeordnetenhaus. Ab 1972 war er für lange Jahre Vorsitzender des Bauausschusses. Von 1979 bis 1983 war er kaufmännischer Direktor der landeseigenen Wohnungsbaugesellschaft DeGeWo.

Penz, damals Geschäftsführer der Baufirma Eltec, hatte schon Anfang der achtziger Jahre mit der DeGeWo zu tun: Er zog für die Gesellschaft ein Oberstufenzentrum in West-Berlin hoch. Wegen Unstimmigkeiten in der Abrechnung des Baumaterials leitete die Staatsanwaltschaft 1984 auf Antrag der DeGeWo sogar ein Ermittlungsverfahren gegen Penz ein, daß jedoch 1985 mangels Tatverdachts eingestellt werden mußte.

Während ein persönlicher Kontakt zwischen Penz und dem DeGeWo-Direktor Franke zwar sehr wahrscheinlich, aber nicht nachzuweisen ist, pflegten Franke und die DeGeWo zur Klingbeil-Gruppe bekanntermaßen enge Beziehungen: Die DeGeWo übertrug über Jahre ihre Häuser in Weddinger Sanierungsgebieten an Klingbeil. Für Heinz Freyn, bei der DeGeWo verantwortlich für die Auftragsvergabe, besorgte Klingbeil-Geschäftsführer Axel Guttmann sogar eine Eigentumswohnung.

Daß Franke, als er im August 1983 auf den Stuhl des Bausenators wechselte, bei der DeGeWo einen finanziellen Scherbenhaufen hinterlassen hatte, wurde erst später ruchbar. Franke hatte für die landeseigene Gesellschaft 536 Wohnungen an der Autobahnbebauung Schlangenbader Straße von der »Wohnpark Wilmersdorf Rudolf Schmidt KG« für einen weit überteuerten Preis gekauft, wie ein Untersuchungsausschuß des Berliner Abgeordnetenhauses später ermittelte. Die DeGeWo zahlte auf Betreiben Frankes für die baufällige Anlage 68 Millionen Mark plus weitere 12 Millionen Mark versteckter Kosten. Der Verkehrswert betrug hingegen nur 47,7 Millionen Mark. Jahre später, im Zuge des Berliner Bauskandals stellte sich heraus, daß Franke in dieser Zeit Hunderttausende von Mark unklarer Herkunft bar auf sein Konto einzahlte. Das kostete ihn 1986 seinen Posten als Bausenator.

Daß Franke dem Berliner Baubetreuer Ruths, bekannt durch seine Geschenkeliste für diverse Verwaltungsbeamte, eine Ferienwohnung in der Schweiz abkaufte und ihm außerdem den millionenschweren Auftrag zur Planung des Kammermusiksaals erteilte, sei nur am Rande erwähnt. Und daß dem Ex-Senator Franke der Bauunternehmer Dietmar Otremba ein Begriff ist, der seit Jahren den Freien Wohnungsbaugesellschaften vorsteht und seit dreißig Jahren aktives CDU-Mitglied ist, versteht sich von selbst.

Franke wechselte nach seinem Rücktritt als Bausenator in die freie Wirtschaft und gründete die Baufirma GIBA GmbH. Außerdem beteiligte er sich als Kommandit mit einer Einlage von inzwischen 100.000 Mark an der Grundstücksverwaltungsgesellschaft Cuvrystraße 20-23 KG, an der auch Claudia Garski mit 200.000 Mark beteiligt ist, die Frau des Architekten Dietrich Garski. Garski, eine bekannte Westberliner Skandalnudel, ist selber an eigenen Geschäften gehindert, seit er 1981 eine Senatsbürgschaft von 93 Millionen in den Sand setzte. Seine Frau hat ihn jedoch bevollmächtigt, ihre Geschäfte zu führen.

Claudia Garski wiederum ist eng mit Penz verbunden: Bei mindestens zwölf Firmen, darunter die PEGA- Bau und die Grundwertfond Spreebogen KG, halten Frau Garski und Helmuth Penz teils schon seit Mai 1989 Geschäftsanteile. Penz gelang es auch, das gestörte Verhältnis zur ehemals von Franke geleiteten DeGeWo aufzubessern: In seiner Firma PEGA-Bau-Generalübernehmer ist der Ex-Prokurist der DeGeWo, Heinz Freyn, seit November 1988 Geschäftsführer.

Klaus Franke geriet zuletzt in die Schlagzeilen, als er 1989 wegen seiner früheren nachrichtendienstlichen Tätigkeit — er hatte nach dem Krieg für den britischen und den amerikanischen Geheimdienst gearbeitet — den Vorsitz im Abgeordnetenhausausschuß für den Verfassungsschutz nicht antreten durfte. Franke, dessen Freund Heinz Sütterlin als KGB-Spion enttarnt wurde, habe sogar für den KGB oder die Stasi gearbeitet, spekulierte Till Meyer — Spion gegen Spion? — in der taz.

Daß die Frankfurter Stadtverordneten Klaus Franke nach dieser Vorgeschichte zum Wirtschaftsdezernenten wählten, sorgte in West-Berlin eher für Heiterkeit. Das Vertrauen der Stadtverordneten kannte aber keine Grenzen: Sie stimmten in der Stadtverordnetenversammlung am 6. Dezember dem Verkauf des Helenesees zu, ohne den Wortlaut des Vertrages zu kennen. Auch eine Abstimmung über den Vertrag im Ausschuß vorher habe entgegen den Behauptungen des Wirtschaftsdezernenten Franke nicht stattgefunden, so der grüne Abgeordnete Biallas in der Stadtverordnetenversammlung. Die grüne Opposition konnte sich jedoch gegen die breite Mehrheit aus CDU, SPD und Neuem Forum nicht durchsetzen. Franke trat dann bald nach Abschluß des Vertrags nach einem knapp gescheiterten Mißtrauensvotum zurück.

Ärger um den Oderturm

Der Vertrag für die »Helene« ist nun kaum mehr zu kippen. Ob die staatsanwaltlichen Ermittlungen gegen Franke zu einer Anklage führen, darf man bezweifeln. Man prüfe zwar, ob Denda und Franke die Kommune vorsätzlich geschädigt hätten, sagte Staatsanwalt Hartmut Oeser — übrigens auch ein Leih-Wessi — auf Anfrage. Allerdings ist Franke immun, denn er hat bis heute sein Abgeordnetenhausmandat in Berlin behalten. Passend zu seiner Neigung, ist Franke derzeit Vorsitzender des Hauptausschusses und Mitglied im Vermögensausschuß des Berliner Landesparlaments, der die Grundstücksgeschäfte beschließt.

Der Ärger um den Helenesee könnte nicht der einzige in Frankfurt bleiben. Wegen des Verkaufs des Oderturms an die Nostro-Grundstücksverwaltung von Dietmar Otremba wird es womöglich noch gerichtliche Auseinandersetzungen geben. Rechtsträger für den Turm war die Stadt Frankfurt, einige kleinere Nebengebäude werden jedoch von der Treuhandanstalt beansprucht, wie Oberbürgermeister Denda es letzten April vor der Stadtverordnetenversammlung erläuterte. Die Stadtverwaltung, die nach Auskunft der Baustadträtin Albeshausen seit Mai 1990, also während Frankes Amtszeit wegen des Oderturms verhandelte, setzte sich gegenüber der Treuhand dafür ein, den Turm an den Westberliner Baulöwen Dietmar Otremba zu verkaufen. Die Treuhand hatte noch zwei andere Bewerber in petto, die teilweise mehr geboten hatten, Otremba hatte jedoch schneller das bessere Konzept vorlegen können. Der Kaufpreis von 43 Millionen liegt nun auf einem Sperrkonto, um das sich Stadt und Treuhand streiten.

Zudem residiert in mehreren Etagen des Oderturms die vormals volkseigene, nun in Treuhandbesitz befindliche Computerfirma UCC, die schon in DDR-Zeiten Eigentum an ihren Büroräumen erworben hat. Sollte die Firma auf Räumung verklagt werden — was wegen der bereits laufenden Sanierung des Oderturmes demnächst ansteht —, dann steht der Stadt ein Schadensersatzprozeß in zweistelliger Millionenhöhe ins Haus.