KOMMENTAR
: Auch das „Verfahren“ berührt die Substanz

■ Die palästinensischen Flüchtlinge auf der Agenda der Nahostverhandlungen

Man habe — wieder einmal — „Verhandlungen über Verhandlungen“ geführt, kommentierte ein Sprecher des russischen Außenministeriums die erste Runde der multilateralen Nahostverhandlungen in Moskau. Doch hat sich in Moskau nur erneut gezeigt, daß die Verfahrensfragen von den Inhalten eben nicht ohne weiteres zu trennen sind. Immerhin haben israelische Delegierte zum ersten Mal mit Vertretern von neun arabischen Staaten direkte Gespräche geführt. Die arabische Vogel-Strauß- Politik, Israel in der Diplomatie als nicht-existent zu behandeln, ist damit offiziell beendet. Der israelische Staat könnte nun endlich dort ankommen, wo er vor über 40 Jahren gegründet wurde.

Gleichwohl läuft der soeben begonnene multilaterale Verhandlungsprozeß Gefahr, die Konflikte des Nahen Ostens lediglich einzukapseln. Drei der vier arabischen Kontrahenten Israels nahmen nicht teil. Sie hatten in Washington erleben müssen, daß Israel ihrer Forderung nach Rückgabe besetzter Gebiete kein Jota nachgibt. Die Palästinenser hingegen waren zur Stelle, doch wurde ihre Delegation von der israelischen Regierung nicht als Gesprächspartnerin akzeptiert. Die Palästinenser haben die Konferenz in Moskau genutzt, um die „Madrider Formel“ aufzukündigen — und wurden erst einmal bei den Gesprächen vor die Tür gesetzt. Mit dieser Formel, die Palästinenser aus Ostjerusalem und Flüchtlinge ausschließt, sucht die israelische Regierung bislang den Ausgang der Verhandlungen im Kern vorwegzunehmen: Keine Debatte über einen palästinensischen Staat, über die Annektion Ostjerusalems und über die Ansprüche von über einer Million palästinensischer Flüchtlinge.

Die „Madrider Formel“ war sicher die einzige Möglichkeit, die israelische Regierung überhaupt zu Gesprächen mit den Palästinensern zu bringen. Denn sie verdrängt die eigentlich brisanten Seiten des israelisch-palästinensischen Konfliktes aus den Verhandlungen. Nun hatte aber US-Außenminister Baker zugesichert, die palästinensische Delegation in irgendeiner Form an den neu eingerichteten multilateralen Arbeitsgruppen zu beteiligen. Das ist vor allem für die Arbeitsgruppe über Flüchtlingsfragen von Bedeutung, die gegen den Widerstand der israelischen Regierung eingerichtet wurde. Das Thema „palästinensische Flüchtlinge“ geriet damit — sozusagen durch die Hintertür — auch auf die Tagesordnung der israelischen Regierung. Das ist definitiv ein Fortschritt. Die Sponsoren der Konferenz werden der Forderung „Land gegen Frieden“ in den bilateralen Gesprächen allerdings weitaus mehr Nachdruck verleihen müssen, wenn sie die multilateralen Verhandlungen zum Erfolg führen wollen. Nina Corsten