Wende bei Italiens Mafia-Urteilen

Rom (taz) — Ein für italienische Verhältnisse regelrecht sensationelles Urteil sprach am Donnerstag abend der Kassationshof (vergleichbar dem Bundesgerichtshof) im „Maxi“-Prozeß gegen fast 400 mutmaßliche Mafiosi: Aussagen von Kronzeugen gelten nicht mehr als von vornherein eher unglaubwürdig. Der 2. Senat des Gerichts widersprach damit definitiv dem Ersten, der nahezu alle Urteile im Zusammenhang mit den Aussagen der beiden ersten schwerkalibrigen Kronzeugen Buscetta und Contorno aufgehoben oder stark modifiziert hatte. Nun muß ein Revisionsprozeß durchgeführt werden. Die Kassationsrichter haben sich während der Verhandlung davon überzeugt, daß die von den geständigen Mafiosi behauptete oberste Leitung der großen Mafia-Geschäfte — vor allem der internationale Rauschgift- und Waffenhandel — tatsächlich bei einem eigens dafür eingerichteten Gremium der stärksten Clans lag. Damit sind nach Ansicht des obersten Gerichts alle Mitglieder dieses „Cupola“ oder „Commissione“ genannten Gremiums — es bestand meist aus fünf Personen, mit „Papst“ Michele Greco als Vorsitzendem — mitschuldig an allen Verbrechen, die den Segen dieses Leitorgans hatten. Darunter fallen z. B. die Ermordung des Anti- Mafia-Präfekten und Generals dalla Chiesa, des Carabinieri-Obersten Basile und des Leiters der Mordkommission, Giuliano. Werner Raith