KOMMENTARE
: Vom Fauxpas zur Affäre

■ Habaschs Anwesenheit in Paris löste eine mittlere Staatskrise aus

In Frankreich regiert die Hysterie. Selbst der sonst so hoheitsvolle Mitterrand ließ sich aus der Ruhe bringen. Öffentlich erzürnte er sich über seine höchsten Mitarbeiter: „Sind die denn alle verrückt geworden?“ Ein Einreisevisum für einen erkrankten Palästinenserführer, dessen „Volksfront für die Befreiung Palästinas“ blutige Terrorakte auf dem Gewissen hat, kann sich offenbar nur eine starke Regierung leisten, und stark, das bezeugt die Aufregung um den Fall Habasch, sind Präsident und Premierministerin nicht mehr.

Schließlich hat es Tradition, daß sich in Frankreich umstrittene arabische Politiker und sogar Terroristen ziemlich ungestört bewegen können. 1977 konnte Abu Daud mit einem französischen Visum in Paris zu einer Beerdigung gehen; bei der Gelegenheit empfing ihn auch das Außenministerium. Versehentlich nahm jedoch die französische Spionageabwehr den Palästinenser fest, denn als Führer der Organisation „Schwarzer September“ war er für den Mord israelischer Athleten bei den Olympischen Spielen in München verantwortlich. Deutschland verlangte daraufhin die Auslieferung. Der damalige Präsident ließ Staatsräson gelten und machte der Affäre schnell ein Ende, indem er Abu Daud freiließ. Wie Mitterrand heute, so war auch Giscard d'Estaing damals entrüstet, nicht jedoch über seinen Regierungsapparat, sondern über jegliche Kritik schlechthin. „Frankreich und die Franzosen lassen sich von niemandem Lektionen erteilen“, wischte er das Thema vom Tisch.

Diesmal jedoch, in einem minder schweren Fall, stimmt der Präsident in das Lamento seiner Gegner ein und läßt seine qualifiziertesten Leute fallen — der geschaßte zweite Mann am Quai d'Orsay, Francois Scheer, wird als bester Diplomat des Landes bezeichnet. Habasch, Stein des Anstoßes, ist längst wieder in Tunis, doch in Paris werden wohl weitere Köpfe rollen. Gewiß war es ein Fauxpas, Habasch aufzunehmen. Eine Affäre konnte daraus nur werden, weil die Regierung schon zuvor durch die vielen innenpolitischen Probleme und die Diadochenkämpfe in den eigenen Reihen auf schwachen Beinen stand. Nur die Außenpolitik, Mitterrands sakrosanktes Feld, war bislang von Kritik verschont geblieben. Ein Fernsehkommentator warnte jetzt, daß nun die Deutschen Frankreich auch noch auf diesem Gebiet den Rang ablaufen würden. Der Opposition hat die Affäre Habasch weitere Flügel verliehen. Sie wird die am 22. März anstehenden Regional- und Kantonalwahlen garantiert zu einer Abstimmung über die Regierung erklären, die ihrerseits fatalistisch einem Wahldesaster entgegensieht. Bettina Kaps