Wasser als Ware

■ Internationale Experten fordern die Marktwirtschaft fürs Lebenselixier Wasser

Wasser als Ware Internationale Experten fordern die Marktwirtschaft fürs Lebenselixier Wasser

Mit dem Trinkwasser muß weltweit sparsamer umgegangen werden, darüber waren sich alle Experten auf der Internationalen Wasserkonferenz in Dublin einig. Und sie haben auch einen Mechanismus gefunden, um diese Sparsamkeit sicherzustellen: Das Trinkwasser soll zur Ware werden, ein Preisetikett muß am Liter heften.

Das Konzept Markt hört sich zunächst höchst plausibel an. Wenn es einen Preis für Wasser gibt, muß der, der mehr verbraucht, auch mehr zahlen. Verschwendung soll teurer werden. Doch Wasser ist kein Gut, auf das so einfach verzichtet werden kann, wenn es zu teuer wird. Eine bestimmte Menge Wasser braucht der Mensch zum Überleben. Wasser entscheidet über Leben und Tod.

Ganz plastisch wird der Herrschaftsfaktor Wasser in einem alten Hollywood-Schinken. Die Wüstenstadt wird von einem grausamen Diktator beherrscht. Seine Herrschaft gründet sich vor allem auf die militärische Kontrolle der einzigen Quelle. Solange er diese militärisch kontrollieren kann, ist Herrschaft gesichert. Zu seinen grausamen Spielchen gehört es denn auch, widerstrebende Untertanen in einem riesigen Wasserbottich zu ersäufen.

Diese Kontrolle des Wassers mit dem Schwert ist offensichtlich ungerecht: Ein(e) jede(r) hat ein Anrecht auf das Lebenselixier, denkt der Zuschauer. Bei der moderneren Kontrolle durch Geld und Markt tun wir uns schwerer. Wieso nicht Rasensprengen, das tägliche Vollbad und die Autowäsche — wir bezahlen doch dafür. Wieso nicht billiges, bewässertes Obst und Gemüse aus den Landwirtschaften Israels und einiger arabischer Länder— wir bezahlen doch dafür.

Saudi-Arabien gilt mittlerweile als sechstgrößter Weizenexporteur der Welt. Vier Millionen Tonnen Wüstenweizen erzeugen die Saudis und verkaufen sie auf dem Markt. Jedes Kilo davon säuft 2.000 Liter Wasser — im Jahr acht Milliarden Kubikmeter aus den nicht erneuerbaren Ressourcen unter der arabischen Halbinsel. Die Weizenkäufer bezahlen doch dafür. Gleichzeitig fehlt dem benachbarten Jordanien das tägliche Wasser zum Überleben, bleiben die Farmer anderer Länder auf ihren Weizenbergen sitzen.

Was lehrt uns das: Der Markt mag Anreize zum Sparen geben. Zum Funktionieren braucht er aber die Abwesenheit von militärischer oder finanzieller Macht. Derzeit ist der Markt eben auch legitimatorische Tarnkappe für Macht und ungerechte Verteilung. Wenn jetzt gerade die westlichen, wasserverschwendenden, mächtigen Marktwirtschaften die Vermarktung des Wasser fordern, versuchen sie ihren höheren Anteil am Wasserverbrauch zu legitimieren. Wir bezahlen das Vollbad auf Heller und Pfennig, ja. Aber andere bezahlen heute und künftig mit ihrem Leben. Hermann-Josef Tenhagen