Ein ganz besonderer Abschied

■ Bye-bye, Messer: Unsere amerikanischen Freunde gehen, und alle weinen bis auf einen

hierhin den

Soldaten, bitteschön!

Bye-bye, GI! Foto: Steinberg

Es wird uns schwer ums Herz. Unsere amerikanischen Freunde wollen uns verlassen. Es ist wahr: Sie wollen gehen. Und was noch schlimmer ist: Sie nehmen alles mit. Sogar das Deutsch-Amerikanische Volksfest, das uns so ans Herz gewachsen war. Nur die Wohnungen bleiben hier. Weil die nicht auf's Schiff passen. Die Gewerkschaft ÖTV weint. Denn es werden deutsche Mitarbeiter der Amerikaner arbeitslos. Diese deutschen Mitarbeiter weinen auch. Man versteht.

Fast hätten wir uns ja mit den Jahrzehnten an diese merkwürdigen Damen und Herren von der anderen Seite der Erde gewöhnt. Es gibt dort drüben sicher viele Leute, an die wir uns leichter gewöhnt hätten. Aber in Weddewarden residierten eben eine Sorte von Herrschaften aus den USA, mit denen man auf der ganzen Welt seine Probleme hat. „Trouble making people“ sagt man dazu auf Englisch (...)

Wir wollen ja gar nicht mehr von der Beschlagnahme der Häuser am Blink reden. Die sich unsere Freunde so einfach angeeignet und die einheimischen Bewohner rausgeschmissen haben. Wir wollen auch vergessen, daß sie auf den dortigen Spielplätzen keine deutschen Kinder haben spielen lassen. Eine Siegermacht darf so was (...) Wir dürfen uns nur wundern. Wir dürfen uns darüber wundern, warum die Herrschaften in der Weddewarder Kaserne sich jahrzehntelang neurotisch abgeschottet haben wie die Rote Armee in der DDR. Sich in Geheimniskrämerei versenkten und sich in der Regel damit begnügten, zu gewissen Dingen keine Stellungnahme abzugeben. Mit Dollars in der Stadt den dicken Max machten und Deutsche mit zivilen MP-Streifen verfolgen ließen, wenn sie sich aus dem PX-Laden einen Truthahn besorgt hatten (...)

Wir verstehen das ja: Eine Besatzermentalität gewöhnt man sich nicht so schnell ab. Wenn man überall in der Welt nur den Larry spielt, spielt man auch in Bremerhaven den Larry. So ist das eben. Wenn die Deutschen eine Zeitlang in der Welt den Larry gemacht haben, dürfen die anderen das hinterher auch. Alles andere wäre ungerecht. Larry hier, Larry da, Larry in Amerika. Wir vergessen Grenada, Vietnam, die Atombombentests im Bikini-Atoll und so manches andere: Alte Geschichten. Unter Freunden wärmt man keine alten Geschichten mehr auf. Aber ab und zu ist es ganz gut, mal wieder dran zu denken.

Da muß man es auch einfach in Kauf nehmen, daß diese Herren ihre hochgeschätzten Waffen- und Gifttransporte bei uns erledigen. Daß ihre Drogenpolizei mit windigen Aktionen ein paar Bremerhavener in den Knast bringt und die Arbeit der deutschen Kripo erschwert. Und selbst wenn uns die Kotze hochkommt, wenn die GI's in Weddewarden den Endsieg im ruhmreichen Golfkrieg feiern: Wir lassen sie feiern (...)

Wir denken daran, was bald für schöne Wohnungen frei werden. Wir denken daran, daß der Hochsicherheitstrakt in Weddewarden bald nicht mehr sein wird und diese Stadt um eine nicht geringe Zahl von psychopathischen General Schwartzkopfs erleichtert sein wird. Die amerikanischen Herren werden ihr selbstgewähltes Gefängnis in Weddewarden verlassen und woanders in der Welt den Larry machen. Am besten zuhause.

Sie haben uns wenig Grund gegeben, sie schmerzlich zu vermissen. Mit ihren deutchen Angestellten, so ist zu hören, gehen sie so um, wie man eben in den USA mit Menschen umgeht, und wie die USA mit Menschen in der ganzen Welt umgehen. Wer hat etwas anderes erwartet? Solchen Herren sagt man gerne beim Abschied Servus. Und ihre Befürchtungen, wir würden in Europa nicht ohne sie klarkommen, teilen wir nur bedingt. Es ist in den Geschichtsbüchern nachzulesen, daß Europa auch ohne GI's eine ganz schön lange Zeit klargekommen ist. (...)

Should old acquaintance be forgot and never brought to mind? Manchmal schon. Manchmal muß man eben gute alte Freunde ziehen lassen. Cowboys gehören eben ins Cowboyland. Und wenn später irgendwo in der Welt von unseren Freunden mal wieder ein paar Bömbchen geworfen werden, ihre Panzer Städte niederwalzen und in einer südamerikanischen Bananenrepublik fröhliches MG- Feuer erklingt, dann sitzen wir vor unserem Fernseher und sagen: „Die haben hier mal gewohnt. Die Leute kennen wir.“

Es hätte so schön sein können. Man kann auch mit Ausländern im eigenen Land gut klarkommen. Aber dazu gehöre immer zwei. Ein russischen Sprichwort sagt: Die Geige und das Messer können keine Freunde werden. Bye-bye, Messer. Lutz G. Wetzel

mit frdl. Genehmigung aus: „Fishtown News“, Bremerhaven (um ein Drittel gekürzt)