„ABM ist eine Sauerei“

■ Erste Gedanken zum Fortbestand der Kultur nach dem ABM-Sturz / Katastrophe? Oder endlich weg vom Tropf? / Waller, Schulte-Hofkrüger und Rothermel am taz-Telefon

In Bremen wird ab sofort nur noch ein Drittel der früheren ABM-Gelder vergeben. Gibt es nur Worte wie „Flurschaden“, „Kahlschlag“, „Desaster“, um die Folgen zu beschreiben — jetzt, wo der ganze Schwindel auffliegt? Die taz überfiel mit dieser Anfrage drei BremerInnen am Telefon:

Brigitte Schulte-Hofkrüger (Dacapo), seit 11 Jahren auf dem zweiten Arbeitsmarkt erfahren:

„Wenn es eine Projekt- Idee gibt oder eine Aufgabe, dann ist ABM in Ordnung. Aber was ich immer tödlich fand: wenn sich einzelne aus persönlicher Ratlosigkeit, auch aus Ideenlosigkeit in diese individuelle Warteschleife ABM begeben haben. Das merkt man in einer Reihe von Projekten, wo viel Leerlauf ist, wo geredet wird und geredet — und abends ist nichts bewegt außer den Sprechwerkzeugen. Arbeitslosigkeit hat richtige Regressionserscheinungen zur Folge, im sozialen Verhalten, im Denken: dieses Abwarten, Sich- Durchlavieren, dieses bequeme Sich-Zurücklehnen, fast als Lebenshaltung der 35- bis 45jährigen. Die politische Klarheit der 70er Jahre, dieses Wollen, auch für das eigene Leben, das ist oft verloren gegangen.“

Jürgen Waller, Maler, Rektor der Hochschule für Künste:

„Ich habe letztes Jahr gewarnt: Die Künstler verlassen sich zu sehr auf ABM! Und ich warne genauso: Sie sollen sich nicht auf die Soziale Künstlerförderung verlassen! Es gibt ja auch keine soziale Schusterförderung! Man muß unterscheiden: die Künstler selbst und die, die zur Aufrechterhaltung von Instituationen notwendig sind! Ich kenne keinen Verein in dieser Stadt, der nicht auf ABM-Maßnahmen zurückgreifen mußte, weil einfach die Grundausstattung nicht vorhanden war. Dazu gehört das KITO in Nord bis zum Bürgerhaus Hemelingen, und auch der Freizeitbereich. ABM heißt: einem Arbeitslosen vorübergehend eine Betätigung zu schaffen, damit er seinen Beruf nicht verliert. Hier ist die Situation umgekehrt, pervers: Man hat Kulturhäuser mit ABM gestopft. Der Staat hat kläglich versagt.

Und die Künstler sind zufrieden mit diesen Maßnahmen, ohne sich klar zu sein, daß das auslaufen mußte. Sie hätten sich lautstark einsetzen müssen, daß eine Kunst!förderung stattfinden soll. Wir haben Sozialhilfe für bildende Künstler. Durch Kunstförderung würden die Künstler automatisch gefördert.

Als wir letztes Jahr das Kulturkampf-Fest in der Eislaufhalle gemacht haben — die Künstler haben uns im Stich gelassen! Weil die Angst hatten, vor der Behörde. Die Behörde hat Abhängigkeiten geschaffen. Die Bremer Künstlerförderung ist nach dem holländischen Modell gemacht worden, und die Holländer haben das abgeschafft, weil sie gemerkt haben: wir haben keine Künstler mehr.

Ich will weder hungernde noch verbeamtete Künster. Wir bilden ja nach dem Genie-Prinzip aus. Wir nehmen eine große Anzahl von talentierten jungen Leuten auf in die Hochschulen, weil wir nicht erkennen können, wer Genie ist. In dem Moment, wo Künstler Geld verdienen, haben sie mit dem ganzen Sozialschiß nichts mehr zu tun. Das heißt auch: unterwegs gehen viele verloren. Wenn ich 3 Mark 50 verdiene und mich so gerade über Wasser halte und ab und zu was ver

hierhin bitte den lachenden

Glatzkopf, der zwischen

anderen hervorgrinst

(in das Fleckchen links

im Kasten bitte die Frau,

in das rechte den Mann)

kaufe, komm' ich nicht mehr in die soziale Künstlerförderung, in überhaupt keine Förderung. Die Leute, die anfangen, besser zu sein als andere, sich durchzusetzen — die müssen gefördert werden!

Ich will nicht den Staat aus der Pflicht nehmen. Ich finde nur das Wort sozial so beschissen. Der Staat muß die Voraussetzung schaffen, daß sich Künstler über den freien Markt bewähren. Wir haben hier Museen ohne Geld, ohne die Möglichkeit für Ausstellungen: Weserburg, Kunstverein, die Langenstraße, das Wagenfeld-Museum... Museen müssen Wechselaustellungen machen können, spektakuläre Ankäufe, dann kommen die Leute! Und das färbt ab auf die Galerien und die Künstler. In Köln, wo heute Museen und Galerien funktionieren, ist ein Kunstmarkt entstanden, in dem sich die Kölner Künstler behaupten können. Da gibt es nicht eine müde Mark für Künstlerförderung. Das ist ja die Aufgabe von Berufsverbänden, und nicht zu lamentieren! der BBK hier hat verpennt.“

Tilman Rothermel, Künstler, einmalig (in der Kulturbehörde) ABM-erfahren:

„ABM in der Kulturbehörde ist 'ne Sauerei. Da werden Leute verheizt, die da eine Anstellung bräuchten. Die Künstler-ABM find ich eine gute Sache. Künstler haben die Selbsteinschätzung, daß sie von ihrer Kunst leben wollen. Das können sie nur bedingt, deshalb sind staatliche Aufträge nötig. Es ist gut für Leute, die auf dem Kunstmarkt keine müde Mark verdienen, daß Projekte an sie vergeben werden. Wenn jetzt ABM nur noch nach „Beschäftigungswirksamkeit“ vergeben werden soll, deklariert man 'Künstler' zum Nichtberuf. Gut, man steckt auch keinen Rechtsanwalt ohne Klienten in eine ABM, damit er mal einen Prozeß hat!

Aber weil beim Kunstmarkt Gesetze herrschen, die nicht verläßlich Qualität von Nichtqualität trennen, braucht man Zusatz-Eingangsbedingungen, wie ABM. Und wer nur Schrott produziert, den nimmt auch kein Träger für ABM... naja, natürlich ist auch viel Mist an die Wände gepinselt worden!“ Gesammelt von S.P.