Satellit und Suppenlöffel

■ Skulpturen von Peter Mönnig in der NGBK und der Galerie Andreas Weiss

Es ist mehr als zwanzig Jahre her, daß Alexander Kluge den ersten von insgesamt drei Science-fiction-Filmen drehte — Der große Verhau. Und natürlich benutzt Kluge dieses Genre, nicht ohne es zu ironieren. So flogen keine Techno-Helden plus Assistentin, den Busen zur Angriffswaffe geschnallt, durch den Weltraum, sondern ein älteres, Dialekt nuschelndes Ehepaar, das dem galaktischen Großmonopoly mit dem Bewußtsein des Kramladenbesitzers um die Ecke begegnet. Was aber wirklich Spaß machte an dieser spröden Weltraumposse, war, daß Kluge sich auf illusionäre Modellbauten gar nicht erst einließ: statt dessen waren die Raumschiffe, vor entsprechendem Hintergrund vergrößert, banales Zeugs wie Lötkolben, Stecker oder Lüsterklemmen.

Die Erinnerung an diesen Film stellt sich angesichts der Skulpturen, die der Kölner Peter Mönnig derzeit in den Räumen der »Neuen Gesellschaft für Bildende Künste« und der Galerie Andreas Weiss ausstellt, ein. Man wandelt durch sie wie in einer Kulisse eines futuristischen Films, jedenfalls durch eine neue, ganz eigene Welt. Da balancieren drei aus Stahlrahmen und gesplittertem Glas gebaute Quader, die an zerstörte Telefonzellen in verkleinertem Maßstab denken lassen, auf jeweils einer ihrer Ecken, während unter der Decke Flug-Skulpturen und bizarre Raumschiffe schweben. Und überall auf dem Boden stehen Gebilde, die einen disfunktionalen Willen zur Kommunikation zu haben scheinen: Antennen, Sendestationen, ein Galaxie-Modell mit umkreisenden Satelliten.

Erst auf den zweiten, genaueren Blick erkennt man die banale Herkunft der verwendeten Materialien, ihren Charakter als objets trouvés: Teile eines Küchenmixers bilden die Elemente einer sendeturmähnlichen Konstruktion, ihre Spitze entpuppt sich als Schneebesen; die um einen Zentralplaneten kreisenden Satelliten sind zwei zusammengeschweißte Suppenschöpflöffel; Gitterroste, Zollstöcke, Regalleisten, Patronenhülsen, Leiterplatten und viel Draht — so lautet die unvollständige Liste der von Mönnig aufgegriffenen Produkte industrieller Alltagskultur.

Ihn interessieren »Energien, die nicht durch Schwerkraft gebremst werden«, er will »die Idee von Schwere in der konventionellen Plastik« untergraben, erklärt Mönnig im Gespräch. Dies ist ihm am eindrücklichsten im Balanceakt eines angedeuteten Propellers mit einer Plastikluftmatratze gelungen: der Propeller, selbst schon ein Medium der Überwindung der Schwerelosigkeit, wirkt vergleichsweise erdenschwer gegenüber dem schnittigen Plastik(flug)körper, der scheinbar haltlos darüber schwebt. Die Schwierigkeit der Liebe unter Schwerelosigkeitsbedingungen lautet der Titel dieser Arbeit, Maßstab, der sich in Luft auflöst ein anderer.

Damit ist nicht nur die kritische Auseinandersetzung mit dem eigenen künstlerischen Genre angesprochen, sondern die Frage nach dem Status von Wirklichkeit überhaupt. Es fällt auf, daß die von Mönnig verarbeiteten Produktelemente meist einer Vergangenheit angehören, die durch neue, vollelektronische Gerätegenerationen längst auf die Halden des Wohlstandsmülls verwiesen sind. Metallgehäuse werden durch Plastik ersetzt, Elektrik durch Elektronik, Leiterplatten durch Mikrochips. Er montiert die Relikte, um in seinen Skulpturen doch durchgängig über deren Materialcharakter hinauszuweisen. Der Status von Realität ist nicht mehr substantiell verankert, sondern wird von immaterial fließenden Informationen bestimmt.

So wie ein Lötkolben in Großaufnahme wie ein Raumschiff wirken kann, sieht das Rotationsteil einer Küchenmaschine bei genauerer Betrachtung wie ein verkleinerter Flugzeugpropeller aus. Mönnig spielt mit Proportionen und verändert den Aussagewert der Materialien, indem er sie in einen eigenen Kontext setzt. Bernd Gammlin

panik & circensis: Skulpturen von Peter Mönnig. Neue Gesellschaft für Bildende Kunst, Tempelhofer Ufer 22 (Kreuzberg). Bis 8. März Mo.-Fr. 10-17, Sa.-So. 13-17 Uhr sowie in der Galerie Andreas Weiss, Nollendorfstraße 16, Schöneberg.