Hochhaus-Wahn

■ betr.: "Ein Büroensemble für Kreuzberg", taz vom 25.1.92

betr.: »Ein Büroensemble für Kreuzberg«,

taz vom 25.1.92

Fast eine ganze Kulturseite als Werbung für ein Hochhaus; nicht schlecht, da Ihr in Eurem Artikel schlüssig bewiesen habt, wie denkbeschränkte und unter Geschmacksverirrung leidende BezirkspolitikerInnen ein bedeutendes Bauprojekt verhindern wollen.

Daß Ihr dabei einen Berliner »Traufhöhen-Wahn« feststellt, die GSW und der Kreuzberger Bezirksbürgermeister König (übrigens nicht nur Mitglied der Preisgerichts-Jury, wie ihr richtig erwähnt habt, sondern auch Mitglied des GSW-Aufsichtsrats) nannten es »Hochhaus-Phobie«, trifft aber das Problem nicht. Es gibt wohl eher einen »Hochhaus-Wahn«, der andere Städte schon vor langer Zeit erfaßt hat, die sich inzwischen meist davon gelöst haben. Nur Berlin, das jetzt als Haupt-, Olympia- und Weltstadt zeigen muß, wo es langgeht, kleckert mit dem Verlangen nach immer höheren Häusern nach. Auch die geplante »Scheibe« ist natürlich um einige Meter höher als der alte Hochhausbau der GSW.

Die von Euch erwähnte Blickbeziehung zwischen Springerhochhaus und Bebauung der Leipziger Straße entstand genau aus solchen »Wahnvorstellungen«, nicht umsonst stehen sie in der Sichtweite der früheren Mauer. Nicht qualitätvolle Bebauung leitete damals die Bauplanung, sondern politisch begründetes Protzen. Weitere Hochhäuser als Ergänzung zu fordern, ist doch nichts anderes, als den Kalten Krieg weiterzuführen, nur befindet sich die Frontlinie zwischen Spekulanten und ihren Architekten einerseits und einer menschenwürdigen und ökologischen Stadt und ihren BewohnerInnen andererseits. Falsche Entwicklungen werden auch durch eine konsequente Weiterführung nicht irgendwann richtig. Statt »kritischem Zuendedenken« setzen sich GSW und ihre Architekten ein Denkmal. Nebenbei schafft sich die GSW insgesamt mehr Bürofläche, als sie benötigt, da ein Block weiter ebenfalls ein Bürogebäude mit Beteiligung der GSW entsteht, übrigens auf einem Grundstück, das bislang als Grünfläche vorgesehen war.

Bei unserer Kritik an Hochhäusern geht es uns nicht um das Ausleben von Phobien, sondern darum, daß Hochhäuser unökologisch, bei einer weiteren Betrachtung auch unökonomisch sind. Einer maximalen Außenfläche steht eine vergleichsweise geringe Nutzfläche gegenüber, bei dem geplanten Haus ist dieses Mißverhältnis besonders groß. Daß sich eine Hochhausbebauung trotzdem lohnt, liegt an der möglichen höheren Ausnutzung eines Grundstücks und damit der kurzfristig höheren Kapitalverwertung. Für den umliegenden Raum entstehen dadurch notwendige Erweiterungen der Verkehrsfläche, oder die von Euch erwähnte Verschattung, und die Nachbarn wollen auch »höher hinaus«, wie zum Beispiel Ihr, liebe tazler. Es gehört wirklich einiges an Mut dazu, diese Entwicklung als »fortschrittlich« verkaufen zu wollen. Und weitere Hochhäuser, nicht nur in der Friedrichstraße, aber auch hier, sind bereits beantragt. Eine »transparente« Diskussion über diese Planungen findet genausowenig statt, wie dies bei der GSW der Fall war. Breit und öffentlich wurden zwar die Kriterien des Wettbewerbs diskutiert, das Wettbewerbsergebnis widerspricht diesen aber. In der nachfolgenden Diskussion mit den AnwohnerInnen haben diese gegen den Bau Stellung genommen, geändert hat dies nichts. Gegen die danach erfolgte Ablehnung durch den Bezirk (Bauabteilung und Bezirksverordnetenversammlung waren hier einer Meinung) ist die GSW in den Widerspruch gegangen, und ein positiver Ausgang der Entscheidung durch den Senat dürfte von vielen Spekulanten, nicht nur von der taz, sehnsüchtig erwartet werden.

Wir halten auch weiterhin eine Bebauung, die sich an der »Berliner Traufhöhe« orientiert, für den richtigen Weg, um Berlins Innenstadt (er)lebenswert zu erhalten. Obwohl in Kreuzberg die Genehmigungspraxis dementsprechend aufrechterhalten wird, hält die überwiegende Zahl der Neubauten die GFZ und GRZ nicht ein. Aber genau nur der Umstand einer beabsichtigten Überschreitung der zulässigen Bebauung bietet die Möglichkeit, Bauten abzulehnen, nicht jedoch, daß eine Grünfläche bebaut wird. Wenn ihr hierbei den erbärmlichen Zustand der zur Diskussion stehenden »Grünfläche« anführt, zeigt das doch nur, daß zur Zeit locker 100 Millionen Mark zur Verfügung stehen, wenn es gilt, die Stadt noch mehr zuzumauern, aber kaum 10.000 Mark für etwas Grün. [...] Thomas Zadow, Bezirksverordneter in Kreuzberg, Grüne/AL

Müssen solche steifen, humorlos-technokratischen Beiträge, wie der von M.Kieren eigentlich vollständig beziehungsweise überhaupt abgedruckt werden? Man hat das ungute Gefühl, die Pressemitteilung des Berliner Senats oder die eines dieser krakenartig umsichgreifenden internationalen Architektenbüros zu lesen. Der Artikel verdient die Gurke des Tages und ebenso die Redaktion, die dafür eine ganze Seite opferte. Da finden sich Stilblüten wie: »Die einhüftige Büroorganisation und die sich daraus ergebende, sehr schlank ausgebildete Scheibe...« oder (tiefenpsychologisch alles sicher hochinteressant): »in dieser Schweißnaht der addierten Gebäudeteile gewinnt das Team durch Schaffung je einer Lobby pro Etage auch noch zusätzliche Raumqualitäten«. Zudem dieser berückend schöne, onkelhafte pluralis majestatis: »Nähern wir uns dem Block als Fußgänger und dem Gebot des Auslobers des Wettbewerbs.« Und dann die Krönung des Ganzen: Abbildungen, die den Betrachter spontan an die häßlichen Hotelbetonsilos an der Costa Soundso erinnern (eine mit der »zackigen Unterzeile, ganz im Tonfall des H.-Mannschen Untertans: »...der Riegel zur Kochstraße: Traufhöhe einhaltend! Ganz rechts am Rand das taz-Gebäude). Und niemand merkt was in der taz! Gewisse Leute mögen ja von solchen Beiträgen profitieren. Die taz allerdings wird so nur Leser verlieren. Bravo! Ronaldo Quintern, Berlin 12