Diese genießerische Distanzierung

■ Der Schauspieler Martin Held ist gestorben

Das Erzkomödiantische und zugleich Moderne an Martin Held ist diese genießerische Distanzierung, mit der er die Menschenschwächen seiner Figuren auskostet.

(Der Kritiker Friedrich Luft)

Er mimte den Kleinbürger oder den Noblen. Aber er war kein Held, denn Helden sind unsterblich, und das war er definitiv nicht, er war der Held. Martin Held, geboren 1908 in Berlin, wurde zunächst Elektrotechniker und arbeitete bei Siemens, bevor er sich mit 21 Jahren zum Schauspielstudium bei Leopold Jessner entschloß. Anschließend und auch während des Krieges tingelte er mit Wander- und arbeitete bei Provinzbühnen. 1951 holte ihn Boreslaw Barlog nach Berlin, zum Schillertheater und zum Schloßparktheater. Den beiden Häusern blieb er bis zu seinem „stillen Abschied“ von der Bühne im Jahr 1987 verbunden. Martin Held war krebs- und zuckerkrank.

Von einem „großen Charakterschauspieler“ ist in den Nachrufen immer dann die Rede, wenn er große tragende Rollen der klassischen und zeitgenössischen Bühnenliteratur gespielt hat: Lessing, Ibsen, Brecht, aber auch Pinter, Osborne und den Krapp in Becketts eigener Inszenierung von Das letzte Band. Wenn er wie Held vielseitig und wandlungsfähig war (was ja zu dem Beruf irgendwie doch dazugehört), also ein Tragöde und ein Komödiant, und wenn er das Glück hatte, Regisseure zu finden, die „Schauspielertheater“ machten. Solche wie Fritz Kortner, mit dem er 1962 Frischs Andorra auf die Bühne brachte und den er und der ihn besonders liebte, oder Hans Lietzau etwa, bei dem Held den Theobald Maske in Carl Sternheims Hose spielte. Kortner ist lange tot, Lietzau starb vor kurzem. Seit den 70er Jahren hat das Regietheater das Schauspielertheater abgelöst. Mit den Neuen hatte sich Held, anders als sein älterer Kollege Minetti, nicht angefreundet. Er tauchte hier und da in Fernsehspielen und -serien wie Der Kommissar oder Der Alte auf, als Gast aus alten Zeiten, der Nachkriegszeit.

Damals spielte er neben dem Theater im Film: den NS-Mann Heydrich in Canaris (1954, Regie: Alfred Weidenmann), den Hauptmann von Köpenick (1956) in der Käutner- Verfilmung sowie den Mann, den seine Nazi-Vergangenheit in Wolfgang Staudtes Rosen für den Staatsanwalt (1959) einholt. Ein letztes Mal drehte er mit Elisabeth Bergner Ein Pfingstausflug (1979); zwei alte Leute, die aus dem Altersheim abhauen. Martin Held starb am vergangenen Freitag im Alter von 83 Jahren in Berlin. sei