Publizistisch an die Wand gestellt

■ betr.: "'Mein Kampf'", Ein Stasi-Mann geht in die Offensive - der Ex-taz-Kollege Till Meyer bekennt sich", taz vom 28.1.92

betr.: „,Mein Kampf‘“, Ein Stasi- Mann geht in die Offensive — der Ex-taz-Kollege Till Meyer bekennt sich), Kommentar von Manfred Kriener, taz vom 28.1.92

Ich verstehe Euren Schock nach Till Meyers Stasi-Bekenntnis. Trotzdem könnt Ihr nicht so mit ihm umgehen, wie Ihr es überwiegend in Eurer Berichterstattung und Kommentierung tut (namentlich Manfred Kriener). Wenn es denn innerhalb „der Linken“, wie Gerd Nowakowski fordert (taz-Berlin-Teil, 28.1.92), eine Verständigung über die dunklen Seiten linker Geschichte und Neutralität nach 1968 geben soll, dann kann das doch nur mit Leuten wie Till Meyer geschehen. Das geht nicht, wenn man — wie Manfred Kriener — Till Meyers Selbstbekenntnis kategorisch als „widerlich“ denunziert.

Es geht mir nicht darum, eine Stasi-Spitzelei zu verharmlosen. Trotzdem finde ich, ist es so schlimm nicht, wenn sich Till Meyer heute noch zu seiner politischen Haltung bekennt (auch wenn ich die nicht teile). Widerlicher sind mir diejenigen, die nach der Wende so wundersam zur „Besinnung“ gekommen sind. Und wenn Till Meyer von der „denunziatorischen Schleimspur“ im Gefolge der Stasi-Enttarnung spricht, dann ist die einfach nicht zu übersehen. Da hat er recht.

[...] Wenn Ihr Till Meyer nach seinem Bekenntnis publizistisch an die Wand stellt, seid Ihr mitverantwortlich dafür, daß sich Stasi-Überzeugungstäter, mit denen es sich vielleicht zu reden lohnt, nicht trauen, sich zu bekennen. Wozu auch, wenn dann niemand mehr mit ihnen reden will.

Der taz gebührt als einziger westdeutscher Zeitung das Verdienst, vor 1989 die DDR-Opposition wirklich ernst genommen zu haben. Es wäre gut, wenn sie sich jetzt einer (sonst kaum spürbaren) Besonnenheit in der Stasi-Debatte befleißigen würde. Gerade weil die taz seinerzeit die DDR-Opposition gebührend beachtet hat, hätte sie jetzt die Autorität, die DDR-Geschichte von ihrer lichteren Seite her zu zeigen. Die DDR war doch nicht nur die Stasi. Winfried Sträter,

im Zug nach Wickede (Ruhr)