ABT. GELDWÄSCHE A LA PARISIENNE
: Kein Glitter ohne Glibber

Zwielichtige Gestalten im Prunkbüroviertel La Défense  ■ Aus Paris A. Smoltczyk

La Défense ist für Frankreichs Ego das, was die Rolex für den gemeinen Neureichen aus Hamburg-Pöseldorf ist. Ein neue Welt aus Glas, Chrom, falschem Marmor und echtem Business, eine vorzeitig Wirklichkeit gewordene Sozialutopie von Klarheit und Sauberkeit, von Effizienz und Rationalität, im äußersten Westen von Paris aus dem Boden gezaubert wie ein Disneyland des Kapitals.

Doch wie jede Seifenoper lehrt: kein Glitter ohne Glibber. Ausgerechnet der „Papst von La Défense“, der zwei Milliarden schwere Immobilienmakler Christian Pellerin, ist durch den Kauf- Verkauf eines Büroturms ins Gerede gekommen, ja: er mußte gar zwei Tage in U-Haft verbringen.

Am Nikolaustag des Jahres 1990 lag Polizeibrigadier Daniel Voiry friedlich unter einem Getreidesilo in Saint Thibault. Eine Dienstkugel im Herzen und in der Tasche eine polizeiliche Vorladung zur Vernehmung am folgenden Tag. Wenige Monate später springt der Versicherungsmakler Bernard Derycke vom Treppenpodest; er trägt einen Strick um den Hals und hat ebenfalls eine Vorladung auf dem Schreibtisch liegen.

Der Zusammenhang mit La Défense? Beide Männer führten ein Doppelleben. Derycke arbeitete als Geldbote und -wäscher für eine Tarnfirma namens Eurocen, die auf den Namen der Gattin des Brigadiers Voiry eingetragen war. Eurocen belieferte nicht nur die Pariser Kommissariate mit Spirituosen und Delikatessen aller Art; sie scheint nach Stand der Ermittlungen auch eine der Schmiergeld- Drehscheiben im Baubusiness von La Défense gewesen zu sein.

Voiry sorgte dafür, daß Schecks (auch von seinen Polizeikollegen) mit der erforderlichen Diskretion eingelöst wurden. Und er organisierte Treffen zwischen unterbezahlten, aber zeichnungsbefugten Beamten und ebenso unternehmungslustigen wie unkonventionellen Investoren. In den Büchern der Eurocen tauchte peinlicherweise auch der Name eines der größten Promotoren auf: Christian Pellerins Holding Satis. Die hatte an Voiry sechs Millionen Francs überwiesen. Wofür? Mysterium...

Im Herbst 1988 hatte Pellerin von British Petroleum deren Bürohochhaus in La Défense erworben. Für 531 Millionen. Geschäftspartner war der Makler Christian Schwartz (er sitzt seit vier Monaten im Untersuchungsgefängnis Santé). Schwartz soll für eine Million Insiderwissen bei BP getankt und an Pellerin weitergegeben haben. Erst so habe dieser von dem Verkaufsplan Wind bekommen. Wie dem auch sei, zwei Jahre später verkauften die beiden Makler das BP- Häuschen wieder. Zum mehr als doppelten Preis.

Pellerin und sein Mitarbeiter werden nun beschuldigt, Verhandlungsakten umdatiert und wissentlich Kommissionen an die Tarnfirma Eurocen überwiesen zu haben. Pellerin erklärte, über Rolle und Charakter von Eurocen „getäuscht worden“ zu sein. Profite von über 100Prozent seien im übrigen „bei derartigen Geschäften völlig normal“.

Wer würde das bezweifeln? In seiner jüngsten Ausgabe berichtet der 'Canard Enchaine‘ über einen neuen Grundstücksdeal zwischen Pellerin und dem Bürgermeister einer der La-Défense-Gemeinden: Auf eine halbe Milliarde wird der Gewinn geschätzt — in guter La- Défense-Tradition war die Sache unter Ausschluß der Konkurrenz abgehandelt worden. Ein „völlig normaler“ Vorgang.

Die Ermittlungen des Untersuchungsrichters haben inzwischen eine neue Richtung eingeschlagen. Es gebe Hinweise, so der 'Canard‘, daß Voiry in höherem Auftrag gehandelt habe, daß hohe Beamte der Polizei-Präfektur mit in die Affäre verwickelt seien. Ob das den Selbstmord ihres Untergebenen erklären könnte?