Phosphatfrei in die Algenpest?

■ Silikat in Waschmitteln steht jetzt im Verdacht, die Algenblüte zu fördern

Besonders verdächtig: Spülmaschinen-ReinigerFoto: Hervé Maillet

Scheinbar gute Nachrichten von der Nordsee: Die Phosphatkonzentration in der Deutschen Bucht nimmt weiter ab, teilte das Bundesamt für Seeschiffahrt und Hydrographie am Wochenende in Hamburg mit. Die erste Überwachungsfahrt der Forschungsschiffe „Gauss“ und „Poseidon“ in diesem Jahr hat den schon 1991 festgestellten Trend bestätigt. Auch in einigen Hamburger Gewässern hat in den vergangenen Jahren die Phosphat-Belastung erheblich abgenommen, wie sich aus dem Gewässergütebericht der Umweltbehörde ergibt. In der oberen Alster ging die Phosphat- Konzentration seit 1982 sogar um über 60 Prozent zurück.

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Waschmittel

Zu dieser erfreulichen Entlastung von Flüssen und Meer haben phosphatfreie Wasch- und Reinigungsmittel einen großen Teil beigetragen. Die umweltschädlichen Phosphate wurden nach und nach durch sogeannte Silikatverbindungen ersetzt. Aber auch diese Ersatzstoffe, die die Aufgaben des Phosphats in Waschmitteln teilweise oder ganz übernehmen sollen, sind im letzten Jahr im Zusammenhang mit einer Algenblüte in der Deutschen Bucht ins Gerede gekommen. Im vergangenen Sommer entdeckten Hamburger Wissenschaftler dort eine für die Jahreszeit ungewöhnliche Blüte von besonders großen Kieselalgen (Diatomeen) und zogen ihre Schlüsse daraus. Diatomeen bauen ihren Kieselpanzer aus Silikat.

Der Verdacht der Wissenschaftler fiel zunächst auf das Zeolith (Natrium-Aluminium-Silikat). Dieser am häufigsten in Waschmitteln verwendete Phosphatersatz hat jedoch alle Tests des Umweltbundesamtes auf Unschädlichkeit in der Umwelt überstanden, weil er sich normalerweise im Gewässer nicht löst, die Algen können Zeolith daher nicht als Nährstoff verwerten. Von der Waschmittelindustrie und auch von Kollegen heftig attackiert, trauen sich die Wissenschaftler mit ihren Vermutungen über die Phosphatersatzstoffe inzwischen nicht mehr an die Öffentlichkeit. Wissenschaftlich abgesicherte Erkenntnisse gibt es noch nicht, aber in Fachkreisen wird weiter nachgedacht.

Noch nicht „aus dem Schneider“ sind die Meta-Silikate, Natrium-Silikatverbindungen, wie sie in vielen Reinigungsmitteln enthalten sind und vor allem in Spülmittel für Geschirrspülmaschinen in immer größeren Mengen zum Einsatz kommen. Rund 40.000 Tonnen dieser Spülmittel werden pro Jahr allein in der Bundesrepublik hergestellt, sie bestehen zum Teil fast zur Hälfte aus Silikaten, die die Reinigungskraft steigern und die Maschinen vor Korrosion schützen sollen. Das wären allein 20.000 Tonnen des Kieselalgen-Nährsalzes, die jährlich auf diesem Wege in die Abwässer und schließlich in die Meere gelangen könnten.

Die Natrium-Silikate lösen sich nur in basischem Milieu, also wenn der pH-Wert, der Anzeiger für den Säuregrad, über 7 liegt. In der Geschirrspülmaschine herrscht so ein basisches Milieu, aber auch in der Deutschen Bucht. Das Meerwasser hat dort pH- Werte um 8,2 und bei starken Algenblüten könnten sie schon mal bis auf 8,7 steigen. Dort könnte sich also das Nährsalz lösen und durchaus die Kieselalgen zum Blühen bringen. Diese Meerespflanzen haben ihre Blütezeit normalerweise im Frühjahr und sterben ab, wenn das Silikat im Wasser zur Neige geht. Wenn dann die Flüsse zum richtigen Zeitpunkt Silikat nachliefern, könnte sich die Kieselalgenblüte verlängern.

Nun sind die Diatomeen keine „bösen Algen“ — sie sind nicht giftig. Aber Kieselalgenblüten im Sommer sind nicht die Norm und die Kieselalge namens Coscinodiscus walesii, die im letzten Sommer in der Deutschen Bucht in Massen auftrat, ist zudem sehr groß. „Daran beißen sich die Algenfresser, das tierische Plankton, die Zähne aus“, befürchtet der Hamburger Meeresbiologe Dr. Michael Krause. Vera Stadie