Kommunizierende Röhren

■ Jannis Markopoulos in der Galerie Loulou Lasard

Kanaldeckel — die wenigsten nehmen sie überhaupt wahr. Anderen erscheint die Stadt wie ein Einfamilienhaus: voll unterkellert. Tausende von Kilometern Kanalisation ziehen sich als unsichtbares Wegesystem durch Berlin. Einzige sichtbare Anzeichen dieser labyrinthischen Wege sind die unscheinbar in das Straßenpflaster eingelassenen Kanaldeckel. Diesen Aspekt machte sich der griechische seit 1967 in Berlin lebende Künstler Jannis Markopoulos für seine in der Galerie Loulou Lasard eingerichtete Installation Das Menschenrecht auf Kopfgeburt zunutze. Markopoulos' Methode: alltägliche Gegenstände über die mit ihnen verbundenen Assoziationen und Symboliken lesbar zu machen wie die Worte einer Erzählung. Konsum- und Industriegüter werden zu Schriftzeichen.

In Eingangsraum der Galerie stehen drei von Kanaldeckeln verschlossene trogartige Behälter aus Gußbetonelementen, in die Wasser fließt. Um einen Kreislauf zu ermöglichen, hat der Künstler an der angrenzenden Wand Rohrleitungen angebracht. Elektromotoren und Aktivkohlefilter gewährleisten eine unveränderte Zirkulation. In der gegenüberliegenden Ecke hängt ein Spiegel, der durch seine konvexe Wölbung den ganzen Raum erfaßt. Die zunächst rein technisch wirkende Konstruktion liegt bis auf das von den Kanaldeckeln verborgene Innere der Betongefäße offen da.

Jannis Markopoulos' Installation erscheint zunächst bloß wie eine diagrammatische Darstellung kommunaler Trinkwasserversorgung. Und doch steht hinter der Arbeit eine eigentümliche Poesie. Die Kanaldeckel stehen für den Schnittpunkt zweier nur schwer miteinander zu vereinbarender Welten, sie illustrieren die Nahtstelle von Untergrund und Oberfläche. Das zentnerschwere Baumaterial wird zum Sinnbild, zur Metapher. Das Wasser plätschert im Hintergrund und erfüllt den Raum mit dem Geräusch eines leise fließenden, aber unaufhörlich lebensspendenden Brunnens. Der hörbare Wasserkreislauf erinnert an das Immerwiederkehrende, an die Vergeblichkeit und den steten Neuanfang, der jede Existenz prägt, während der in der Ecke hängende Spiegel die Besucher eine imaginäre Bühne betreten läßt. Banale Gegenstände konzentrieren sich zu einem skulpturalen Gedicht.

Für vorausgegangene Arbeiten benutzt Markopoulos Bierkästen, die sich in einer überschlagenden Welle durch ganze Räume zogen, Geigen, Strohballen oder Puppen. In einer ebenfalls bei Loulou Lasard ausgestellten Installation verwendete er schon einmal Kanaldeckel, allerdings weniger in einem lyrischen Zusammenhang, eher ihrer konkreten Erscheinung und ihrer greifbaren, spürbaren physischen Existenz wegen. Mehrere der großen Eisenbetonringe hingen, durch wuchtige Dübel gehalten, an der Wand. Sie wirkten wie das Phasenbild einer elastischen Sprungbewegung, wie der in Zeitlupe aufgenommene, im Moment eingefrorene Hüpfer eines Gummiballes, nur daß es sich eben um zentnerschwere Kanaldeckel handelte. Die Diskrepanz zwischen dem tatsächlichen und der mit scheinbarer Leichtigkeit bewerkstelligten malerischen Anordnung löste eine regelrechte körperliche Bedrohung aus und hielt Besucher unweigerlich auf Distanz.

Hier stehen die Kanaldeckel für sich allein, sie sprechen nur von ihrem Gewicht und ihrem augenblicklichen Standort. Was die Arbeiten Markopoulos' dennoch verbindet, ist die Spannung zwischen dem banalen Ausgangsmaterial und dessen neuem Dasein als Kunstprodukt. Erst in der Installation wird deutlich, was oft genug an uns vorbeizieht: die Poesie des Alltags. Ulrich Clewing

Bis zum 20. Februar, Galerie Loulou Lasard, Crellestraße 42a, Schöneberg, Di.-Fr. 15-19, Sa. 11-14 Uhr.