„Freiwillig“ zurück nach Sri Lanka

■ 30.000 Flüchtlinge sollen aus Südindien repatriiert werden/ Regierung Sri Lankas versucht, internationale Geldgeber „zu beruhigen“, die Finanzhilfen an eine Verbesserung der Menschenrechte knüpfen

Neu Delhi (taz) — Die Rückführung srilankischer Tamilen aus Südindien wird fortgesetzt. Vergangene Woche verließ ein weiteres Schiff mit 650 Tamilen den Hafen von Madras in Richtung Sri Lanka. Innerhalb der nächsten Monate sollen so etwa 30.000 der rund 200.000 Flüchtlinge aus den Lagern in Tamil Nadu in ihre Heimat zurückkehren.

Nach dem Abkommen zwischen der indischen und der srilankischen Regierung soll die Rückkehr „freiwillig“ erfolgen. Die meisten Heimkehrer — viele von ihnen sind Staatsangestellte — folgen dabei offenbar Versprechungen und Drohungen ihrer Regierung, ohne von einer dauerhaften Verbesserung der Sicherheit in den umkämpften Gebieten im Norden und Osten des Landes ausgehen zu können. Der ihnen nun angedrohte Stellenverlust mag dabei ebenso ein Rückkehrgrund sein wie die Aussicht auf finanzielle Hilfe der Regierung für den Wiederaufbau ihrer Existenz. Dazu kommt, daß die Lager in Südindien nach der Ermordung von Rajiv Gandhi am 21.Mai 1991 strikten Ausgangskontrollen unterworfen wurden. Viele Flüchtlinge mußten daher ihre Gelegenheitsarbeit in der Landwirtschaft oder in Haushalten umliegender Städte aufgeben und verloren so jegliche Verdienstmöglichkeit.

Nach offizieller Darstellung stammen alle Rückkehrer aus Gegenden, welche vom Militär „gesäubert“ worden sind. Doch die srilankische Armee hat bislang nur wichtige Kleinstädte und Verbindungsstraßen unter ihre Kontrolle bringen können. So werden viele der Neuangekommenen wohl in den Zwischenlagern um Trincomalee bleiben und damit die auf über 600.000 geschätzte Zahl von „Binnenflüchtlingen“ weiter anwachsen lassen. Ihr Schicksal wird erschwert, da die Regierung nicht mit der finanziellen und vor allem operationellen Unterstützung des UNO-Flüchtlingsorganisation UNHCR rechnen kann. Das UNHCR kann seinen eigenen Vorschriften gemäß nur solche Flüchtlinge unterstützen, die freiwillig zurückgekehrt sind. Die indische Regierung läßt jedoch Besuche von UNHCR-Delegierten in ihren Lagern in Tamil Nadu nicht zu. Daher kann sich das UNHCR nicht selbst der Freiwilligkeit versichern.

Ob aber die Heimkehrer allmählich wieder in ihre Dörfer zurückkehren werden, hängt auch vom Verhalten der LTTE ab. Diese hatte zwar früher jene Tamilen verurteilt, die ins indische Exil flüchteten, statt an ihrer Seite für die Befreiung des Landes von der singhalesischen Herrschaft zu kämpfen. In einer Radiosendung aus Jaffna soll sich ein LTTE-Sprecher nun aber gegen eine Rückkehr seiner Volksgenossen ausgesprochen haben. Eventuell befürchtet die LTTE, daß westliche Staaten in der ersten großen Repatriierung von Tamilen ein Signal sehen, das ihnen eine Rückführung ihrer eigenen Tamilen-Flüchtlinge erlaubt. Dies würde auch dazu führen, daß die substantiellen Geldtransfers aus Europa versiegen, die für die LTTE eine wichtige materielle Versorgungsbasis darstellen.

Die Armee ist allerdings zuversichtlich, daß die LTTE inzwischen militärisch so geschwächt ist, daß die srilankischen Streitkräfte sogar die Stürmung der letzten LTTE-Bastion, der Stadt Jaffna, unternehmen könnte. Vorläufig wird sie noch von der Regierung zurückgehalten, die der internationalen Öffentlichkeit beweisen möchte, daß sie den Norden und Osten der Hauptinsel so weit befriedet hat, daß die tamilischen Flüchtlinge zurückkehren können.

Sie tut dies unter anderem im Hinblick auf die bevorstehende Tagung des Weltbank-Konsortiums in Paris, in welchem Sri Lanka auf substantielle Hilfszusagen der westlichen Geberländer hofft. Vor allem die EG macht solche aber von der Besserung in der offiziellen Menschenrechtspolitik abhängig, und darum steht es weiterhin schlecht. In der vergangenen Woche veröffentlichte die Regierung in Colombo zum ersten Mal in der Geschichte des Bürgerkriegs einen Bericht einer offiziellen Untersuchungskommission, in dem Regierungssoldaten Massaker an der Zivilbevölkerung angelastet werden. 1991, so heißt es in dem Bericht, hätten Regierungssoldaten zwei tamilische Dörfer gestürmt und 67 Menschen erschossen, nachdem zwei Soldaten bei einer Minenexplosion ums Leben gekommen waren. Dies sei keine Militäraktion gewesen, sondern „unbeherrschtes Verhalten einzelner Soldaten, die durch den Tod ihrer Kollegen provoziert worden“ seien. Ein Offizier und vier Soldaten seien verhaftet worden.

Der oppositionelle Parlamentsabgeordnete Suresh Premachandran wertete die Veröffentlichung des Berichts denn auch „eher als einen Versuch, die internationalen Geldgeber zu beruhigen, als ein Schritt hin zu mehr Gerechtigkeit gegenüber den Tamilen“. Menschenrechtsorganisationen berichten weiterhin vom Verschwinden von Dissidenten, und noch immer sind die meisten der auf 60.000 geschätzten Fälle von Entführungen nicht aufgeklärt. Bernard Imhasly/li