Geht Jassir Arafat fremd?

■ Angeblich hat der PLO-Chef heimlich geheiratet/ Mögliche Ehefrau: Eine Christin aus Ost-Jerusalem

Berlin (taz) — Geht Jassir Arafat, der von sich zu sagen pflegte, er sei „mit Palästina verheiratet“, fremd? Hartnäckig hält sich das Gerücht, er habe Souha Taouil geheiratet, die seit 1989 als seine Beraterin in Wirtschaftsfragen arbeitet. Um seine alte Liebe nicht eifersüchtig zu machen, soll er immerhin den palästinensischen „Jahrestag der Revolution“, nämlich den 1. Januar gewählt haben, um sich nach rund sechzig Jahren Junggesellendasein in den Ehestand zu begeben.

Im Hauptquartier der PLO in Tunis hat man dazu bislang keinerlei offizielle Stellungnahmen abgegeben. Die israelische Zeitung 'Ha'aretz‘ war es, die zuerst darüber berichtete. Über das arabische Programm von Radio Israel machte die Geschichte dann die Runde im Nahen Osten.

Unter den Palästinensern hat man sich notgedrungen daran gewöhnt, alles, aber auch alles — und vor allem Gerüchte — unter dem Gesichtspunkt möglicher politischer Bedeutungen zu betrachten. Dieser Fall bietet eine Fülle solcher Interpretationsmöglichkeiten. Die Hochzeit, so sie denn stattgefunden hat, hätte den Exilpolitiker Arafat mit einer Familie aus den besetzten Gebieten verbunden, genauer: mit einer palästinensischen Familie aus Ost-Jerusalem. Angesichts der erheblichen politischen Spannungen und Interessengegensätze, die das Verhältnis zwischen der PLO und den Bewohnern der besetzten Gebiete seit dem Beginn der Intifada zeitweise bestimmten, könnte dies für den PLO-Vorsitzenden nur von Vorteil sein. Diese Gegensätze zu überbrücken, ist der PLO während der bisherigen Nahost- Verhandlungen bestens gelungen — aber es könnte in Zukunft sehr wohl zu weiteren Zerreißproben kommen.

Verglichen mit anderen namhaften palästinensischen Familien hat sich die Familie Taouil in der wechselhaften Geschichte der Bewohner Palästinas politisch zwar nicht unbedingt profiliert. Es handelt sich um eine wohlhabende Familie aus dem christlichen, städtischen Bürgertum, deren bekanntere Mitglieder allerdings für ihre Fatah- freundlichen Positionen bekannt sind. Das gilt vor allem für die Mutter von Souha, Raimonda Taouil. Sie war mehrfach in israelischer Haft — wegen „Kontakten zur PLO“. Durch ihr Buch Mein Gefängnis hat viele Mauern wurde sie auch in Europa berühmt. Raimonda Taouil lebt heute in Frankreich und leitet die Nachrichtenagentur 'Palestine Press Service‘.

Politische Beobachter würden eine solche Ehe auch als beruhigendes „säkulares“ Signal an jene verstehen, die ein politisches Erstarken der Islamisten fürchten. Denn Jassir Arafat ist Moslem, Souha Taouil griechisch-orthodoxe Christin. Kaum kursierte das Gerücht, wurden in den besetzten Gebieten auch schon Flugblätter gegen diese „bikonfessionelle“ Ehe verteilt — ohne Angabe der Verfasser. N.C.