piwik no script img

Beim Schacht Konrad wird Töpfer jetzt pingelig

Der Streit zwischen dem Land Niedersachsen und Bundesumweltminister Klaus Töpfer um den als radioaktive Müllkippe vorgesehenen Schacht Konrad eskaliert/ Töpfer will das Planfeststellungsverfahren beschleunigen/ 250.000 Einwendungen liegen vor  ■ Aus Hannover Jürgen Voges

Eigentlich rührt sich schon seit 15 Jahren kaum noch etwas auf dem Gelände der Schachtanlage Konrad, deren Förderturm wie eh und je die Gemeinde Salzgitter-Bleckenstedt überragt. Klaus Töper hat es jetzt sehr eilig: 15 Jahre lang bis 1976 wurde in der Grube, die nach dem Willem von Bundesumweltminister Klaus Töpfer einmal 95 Prozent des bundesdeutschen Atommülls aufnehmen soll, Eisenerz abgebaut. Schon aus der Zeit der Stillegung aus dem Jahre 1976 datieren die Pläne, in dem Bergwerk Atommüll — zunächst war nur von schwachaktiven die Rede — zu vergraben. Im Jahre 1982 wurde das Planfeststellungsverfahren für das atomare Endlager Schacht Konrad damals noch auf Antrag der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt eingeleitet und in der Folgezeit noch von der CDU-Regierung in Niedersachsen mit sehr mäßiger Geschwindikeit betrieben. Seit allerdings Rot-Grün in Niedersachsen regiert, das in seine Koalitionsvereinbarung den Abbruch des Planfeststellungsverfahrens aufgenommen hat, will der Bundesumweltminister mit wechselnden „bundesaufsichtlichen Weisungen“ das Land zu nicht gekannter Eile antreiben.

Vielleicht auch, weil jetzt erstmals die Stadt Salzgitter selbst sich völlig eindeutig auf die Seite der Konrad-Gegner geschlagen hat, strebt dieser Streit dieser Tage wieder einem absurden Höhepunkt zu: Töpfer will auf den Tag genau wissen, wie das 15jährige Verfahren weitergeht.

In einem „bundesaufsichtlichen Gespräch“ mit dem niedersächsischen Umweltstaatssekretär Horn hatte Töpfer schon am vergangenen Freitag ultimativ verlangt, Niedersachsen müsse binnen fünf Tagen das genaue Datum des „Erörterungstermins“ im Schacht-Konrad-Verfahren festlegen. Für den Fall niedersächsischer Unbotmäßigkeit drohte der Bundesumweltminister gleich wieder mit einer „bundesaufsichtlichen Weisung“. Diese Weisung wird jetzt wohl kommen, auch wenn man auf ihren Inhalt in Hannover wirklich noch gespannt ist.

Auf einen Erörterungstermin im Rahmen eines Planfeststellungsverfahrens müssen bekanntlich sämtliche Einwendungen gegen das beantragte Projekt behandelt werden. Gegen das Endlager Schacht Konrad sind im vergangenen Sommer über 250.000 Einsprüche eingegangen, was eine entsprechende Vorbereitung der Erörterung erforderlich macht. So sind bisher im Umweltministerium allein fünf Mitarbeiter damit beschäftigt, alle Einwendungen erst einmal per EDV zu erfassen.

Obwohl die Mehrzahl der Konrad-Gegner nur ihre Unterschriften unter Sammeleinwendungen gesetzt hätten, erwarte man als Ergebnis der Erfassung immer noch 8.000 bis 9.000 verschiedene Einwendungstexte.Die in den Texten enthaltenen Argumente gegen das Endlager will das Ministerium anschließend „bündeln“, sie zu Teilen noch einmal Gutachtern zur Stellungnahme vorlegen. Danach hat sich auch das Bundesamt für Strahlenschutz, als Antragsteller im Schacht-Konrad-Verfahren, noch zu den Argumenten der Einwender zu äußern. Für den Erörterungstermin selbst, zu dem sämtliche Einwender geladen werden müssen, soll schließlich in Salzgitter eigens eine Halle entsprechender Größe in „Leichtbauweise“ errichtet werden. Bisher hat die Rot-Grün regierte Stadt noch nicht einmal einen Platz für diese Halle gefunden. Bei alledem kann es nicht wundern, daß in dem heutigen Schreiben des niedersächsischen Umweltministeriums an Klaus Töpfer die geforderte verbindliche Terminzusage fehlt. Darin wird wiederum lediglich ein Erörterungstermin in dem Zeitraum zwischen Anfang September und Mitte Oktober anvisiert. Die Niedersachsen verprechen alle Aktivitäten auf eine Erörterung in diesem Zeitraum zu konzentrieren, weisen aber gleichzeitig auf die Unsicherheiten hin, die ein solches aufwendiges Verfahren mit sich bringt.

Nicht nur den genauen Termin, auch die Inhalte des Planfestellungsverfahrens versucht der Bundesumweltminister seit einiger Zeit zu bestimmen. So will Töpfer es der Genehmigungsbehörde in Hannover etwa nicht erlauben, im Rahmen des Planfeststellungsverfahrens noch ein Gutachten zur Langzeitsicherheit des Endlagers, also zu der für die Genehmigung schlechthin entscheidenden Frage einzuholen. Auf diesem Gutachten und einem weiteren ebenfalls noch einzuholenden zur Umweltverträglichkeit will das niedersächsische Umweltministerium allerdings beharren.

Im Rathaus in Salzgitter ist gestern derweil eine Ausstellung zu den Einwendungen gegen das Endlager eröffnet worden. Die Stadt hat die endgültigen Gutachten vorgestellt, die ihre Zweifel an der Sicherheit des Endlagers, vor allem an der Langzeitsicherheit, an dem sicheren Einschluß des radioaktiven Mülls begründen. Es hat nicht geholfen, daß Klaus Töpfer als Gegenleistung für das Endlager das Bundesamt für Strahlenschutz in Salzigitter angesiedelt hat. Vor gut zwei Wochen hat die rot-grüne Mehrheit im Rat der Stadt ihn „dringlich aufgefordert, das Planfeststellungsverfahren für das nukleare Endlagerprojekt Schacht Konrad unverzüglich abzubrechen“.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen