Boat People verbrannten im Lager

■ 21 Tote nach Kämpfen in Hongkonger Flüchtlingslager/ Drangvolle Enge verstärkt Aggressionen

Hongkong/Genf (afp/taz) — Einundzwanzig vietnamesische Boat People kamen in der Nacht zum Dienstag bei einem Brand in einem Hongkonger Flüchtlingslager ums Leben. Nach Angaben der Hongkonger Behörden hatten sich die Opfer in eine der Lagerbaracken geflüchtet, nachdem gewalttätige Auseinandersetzungen zwischen Flüchtlingsgruppen aus dem nördlichen und dem südlichen Teil Vietnams ausgebrochen waren. Die Baracke, die von innen verrammelt worden war, wurde von den Angreifenden in Brand gesteckt. Unter den geborgenen Toten befanden sich fünf Kinder. 48 Personen wurden ins Krankenhaus gebracht, sieben Vietnamesen schwebten noch in Lebensgefahr. Insgesamt wurden bei den Unruhen 128 Menschen verletzt, teilte die Polizei mit. Der Leiter des Hohen UN-Flüchtlingskommissariats in Hongkong, Robert van Leeuwen, sprach von den bislang schwersten Unruhen unter den vietnamesischen Bootsflüchtlingen.

Über 60.000 Boat People leben in Hongkonger Lagern, viele von ihnen bereits jahrelang — und die meisten ohne Aussicht auf die erhoffte Weiterreise in ein Drittland. Seit der Einführung eines Asylverfahrens durch die Hongkonger Regierung im Jahr 1988 haben sind etwa 90 Prozent der Asylanträge abschlägig beschieden worden. Zehntausende warten noch auf ihr Verfahren.

Wer den Flüchtlingsstatus nicht zugesprochen erhält, muß mit der drohenden Repatriierung rechnen, da kein Land der Welt sich zu ihrer Aufnahme bereit erklärt. Im vergangenen Jahr hat Hongkong die „unfreiwillige“ Rückführung — so der offizielle Sprachgebrauch, der das Wort „Zwang“ zu vermeiden sucht — nach Vietnam wieder aufgenommen, nachdem es sich auf die Modalitäten mit der vietnamesischen Regierung geeinigt hatte.

Die Auslöser der Auseinandersetzungen, an denen Hunderte von Flüchtlingen beteiligt gewesen sein sollen, war nach Angaben der Polizei ein Streit um die Warmwasserversorgung im Lager Shek Kong. 9.000 Menschen leben hier in quälender Enge. Wie in den anderen Hongkonger Lagern sind auch in Shek Kong jeweils 200 bis 300 Personen in Wellblechbaracken zusammengepfercht. Pro Familie steht ihnen zumeist eine etwa zwei Quadratmeter große Plattform in einer Reihe von zwei-bis dreistöckigen Bettgestellen zur Verfügung. Arbeits- oder Beschäftigungsmöglichkeiten gibt es nicht. Hilfsorganisationen weisen seit Jahren auf die zerstörerischen Wirkungen dieser Situation hin. Denn der Mangel an Privatsphäre, die erzwungene Beschäftigungslosigkeit und drohende Deportation haben eine Atmosphäre entstehen lassen, in der jeder Konflikt in gewalttätige Aggression umschlagen kann.

Die Auseinandersetzungen am Montag abend entwickelten sich nach Angaben der Polizei schnell in eine bewaffnete Auseinandersetzung zwischen Nord- und Südvietnamesen. Dabei sei es auch um die Frage gegangen, ob man sich für eine freiwillige Rückkehr nach Vietnam unter dem Schutz des UN-Flüchtlingskommissariats bereiterklären sollte.

Die Behörden in Hongkong haben angekündigt, daß die 2.000 Nordvietnamesen des Camps in den kommenden zwei Tagen in andere Lager gebracht werden sollen, um weitere Spannungen zu vermeiden. Der Hongkonger Regierungsbeauftragte für Flüchtlingsfragen Clinton Leeks sagte, der Zwischenfall könnte den Abflug der Flüchtlinge möglicherweise verzögern. li