„Wir sind so stark wie der Protest!“

■ Bremer Kultursenatorin zur ABM-Misere / 300 Stellen im Bereich Kultur sind bedroht / Wer ist innovativ, wer erfolgreich?

„Den Job möcht' ich jetzt ja auch nicht haben“, fand ein Journalistenkollege nach der Pressekonferenz und meinte Kultursenatorin Helga Trüpel. Die war nämlich gestern angetreten, um über das ABM-Debakel zu informieren.

Insgesamt rund 300 ABM sind in drei großen Blöcken im Kultur- Bereich angesiedelt, und zwar 100 davon in Behörden-Dienststellen (z.B.: Stadt-Bibliotheken (52), VHS (30), Übersee-Museum (11)); 100 weitere in behördlich angebundenen Einzel- Einrichtungen (einzelne KünstlerInnen, Breitenkultur), außerdem 100 in der dezentralen, eigenständig organisierten Stadtteilarbeit — 50 Prozent davon sind mit höchst bedrohten AkademikerInnen besetzt (vgl. ausführlich taz v. 3.2.).

Mit drei Auffanglinien will Helga Trüpel „dem flächendeckenden Zusammenbruch ganzer Strukturen, der drohenden Kulturwüste ganzer Stadtteile“ entgegentreten.

Erstens: Einen Teil der bedrohten ABM in Sicherheit bringen, besonders im Akademikerbreich, denn „gerade Kulturvermittlung in den Stadtteilen ist Akademiker- Arbeit, das sind richtige Regelaufgaben, Dienstleistungen“. Künstler werden übrigens generell als Akademiker gezählt, aber viel schlechter bezahlt.

Zweitens soll der Topf für Projekt-Mittel, derzeit 1,5 Mio., auf 3,2 für Kultur aufgestockt werden, um einzelne Vorhaben für mehrere Jahre mit Personalmitteln unterstützen zu können. Das Geld soll aus den „wieder eingestellten“ Landes-Personal-Ergänzungsmitteln für ABM-Maßnahmen kommen, die Bremen angesichts der Nürnberger Kürzungen auch sofort um 10 Mio. reduziert hatte.

Drittens, so Trüpel, sei „die Debatte um die Erhöhung des Kultur-Etats wieder brandaktuell“. „Es kriegt ja was Litaneihaftes, aber: Der notleidende Kultur- Etat ist ein Verbrechen an der Zukunft Bremens!“

„Jetzt ist eine kulturpolitische Offensive des Gesamt-Senats gefragt, wie sie in der Koalitionsvereinbarung vorgesehen ist“, fordert Trüpel, „das ist sowieso keine Ressort-Angelegenheit.“ Denn, so ihre Logik, Kulturarbeit sei „keine Spinnerei, kein Surplus — man kann nicht Angebote an Junge, Alte, Ausländer, Frauen wegrasieren in den Stadtteilen, ohne daß das sozialpolitische und politische Auswirkungen hat. Kulturarbeit ist auch präventive Arbeit!“

Selbst wenn im besten Fall der 3.5 Mio.-Topf für Kultur käme, wären drastische Kürzungen unumgänglich. „Wir müssen dann überlegen, wer innovativ ist in Bremen, wer erfolgreich arbeitet und wer für die Infrastruktur unverzichtbar ist. Das Dilemma: Die kleinen Kultur-Projekte geraten mit einer Stellen-Streichung oft schon unterhalb der kritischen Masse und brechen zusammen. „Vor einer politischen Debatte in Senat und Bürgerschaft werden wir hier nicht öffentlich aussortieren“, versprach Trüpel, kündigte aber an, daß künftig auch ökonomische Kriterien und Eigenleistungen der Träger wichtig werden.

Die Kultur-Szene ist angesichts ihres bevorstehenden Teilsterbens überraschend friedlich. Trüpel: „Ich kann nur vor falschen Hoffnungen warnen, weil jetzt zwei Grüne mitmachen im Senat. Wir sind nur so stark, wie der Protest in der Stadt laut ist!“

Susanne Paas