Arbeitslosenhilfe jetzt einkommensunabhängig

■ Arbeitslosenzentren kritisieren verwirrende Fragebogen des Arbeitsamtes

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Demonstrationen erfolgreichFoto: Millet

Seit Anfang Januar verschickt das Bremer Arbeitsamt Fragebögen an rund 2.000 Empfänger von Arbeitslosenhilfe, denen Einkommen von Angehörigen „angerechnet“, das heißt abgezogen wird. Sie alle müssen fünf „Fragen zur Berücksichtigung von Unterhaltsansprüchen bei der Arbeitslosenhilfe“ beantworten. Thomas Beninde vom Arbeitslosenzentrum der AGAB sieht darin einen „Verwaltungstrick“, um die Auszahlung von vorenthaltenen Geldern zu verhindern. Denn eigentlich, so Beninde, dürfte ab 1.1.1992 kein Einkommen mehr angerechnet werden. Der Paragraph 137.1a, mit dem die Bundesanstalt für Arbeit bisher ihre Anrechnungspraxis legitimiert hatte, galt nur befristet, bis zum 31.12.1991.

„Laut Gesetz darf jetzt nichts mehr von der Arbeitslosenhilfe abgezogen werden, das Arbeitsamt erweckt aber durch den Fragebogen den Anschein, als sei das noch möglich“, erklärte Beninde gestern, unterstützt von Berndt Korten vom Arbeitslosenzentrum Tenever und von Rechtsanwalt Bernd Rasehorn. Besonderen Anstoß nimmt die AGAB an der vierten Frage: „Haben Sie Anspruch auf Unterhalt gegen Ihre volljährigen Kinder oder Eltern?“ Möglich sind hier drei Antworten: Ja, und zwar gegen... / nein, weil ich zwar dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehe, jedoch nicht bereit bin, zur Erlangung von Unterhalt mich um jede Arbeit, ggf. auch im gesamten Bundesgebiet, zu bemühen / sonstiges. Wer die ungekürzte Arbeitslosenhilfe erhalten will, muß „nein“ ankreuzen. Hätten Sie's gewußt?

Hintergrund der komplizierten Frage sind zwei unterschiedliche Definitionen für Leistungsansprüche gegenüber nahen Verwandten. Zivilrechtlich, im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) sollen vor allem Eltern gegen Ansprüche bereits erwachsener und ausgebildeter Kinder geschützt werden. Deshalb hat dort nur Unterhaltsanspruch, wer nachweisen kann, daß er im gesamten Bundesgebiet vergeblich versucht hat, jegliche Arbeit, unabhängig von der eigenen Qualifikation, anzunehmen. Nur in diesem Fall müssen Angehörige zahlen. Darauf bezieht sich auch die Formulierung der vierten Frage. Die Bundesanstalt für Arbeit ist jedoch gebunden an die im Arbeitsförderungsgesetz (AFG) fixierte Definition von zumutbarer Arbeit. Da aber niemandem zugemutet werden kann, unqualifizierte Arbeit im gesamten Bundesgebiet anzunehmen, können keine Unterhaltsansprüche gegen Angehörige geltend gemacht werden, und das Arbeitsamt muß die volle Arbeitslosenhilfe — einkommensunabhängig — auszahlen. So definiert Rechtsanwalt Rasehorn den Tenor eines Urteils des Bundessozialgerichts vom 17.10.1991 (Aktenzeichen: 11 RAr 125/90; vgl. taz vom 18.10.91).

Der Chef der Leistungsabteilung beim Bremer Arbeitsamt, Lüder Pols, will von dem Spruch der Sozialrichter vom Oktober nichts wissen: „Das Urteil liegt uns noch nicht vor. Die Fragebögen haben damit auch gar nichts zu tun.“ Sie seien durch das Auslaufen des Paragraphen 137.1a notwendig geworden. Der Rücklauf zeige, daß bei etwa der Hälfte der Befragten künftig kein Einkommen mehr angerechnet werde. Einbehaltene Arbeitslosenhilfe wird laut Pols ab 1.1.1992 zurückgezahlt.

Die Arbeitslosenberater und Rechtsanwalt Rasehorn kritisieren den Fragebogen als verwirrend und unverständlich. Außerdem reiche der Rückzahlungsanspruch weiter zurück. Sie empfehlen Betroffenen, eine Arbeitslosenberatung aufzusuchen und auf einem von der AGAB vorgedruckten Antrag die Nachzahlung der einbehaltenen Beträge zu fordern. Für viele Arbeitslose gehe es dabei um Beträge zwischen 17 bis 350 Mark wöchentlich — für die Bundesanstalt für Arbeit um 400 Millionen Mark. asp