Lebenslang — in Knast oder Psychiatrie

■ Wie schuldfähig ist der dreifache Prostituiertenmörder Gerhard Sch.? / Erster Prozeßtag

Drei Frauen sind tot. Waltraud W., ermordet am 21.12.1987 durch 25 Stiche und fünf Schnitte in Hals, Schulter und Rücken. Sie war damals 30 Jahre alt. Der Mörder wütete fürchterlich an ihrem Körper. 2.000 Mark Bargeld läßt er bei seiner Flucht vom Tatort mitgehen. Heidemarie D., ermordet drei Wochen später, erstochen mit einem Küchenmesser. Als die Polizei sie findet, ist ihr Körper am Hals bis auf die Wirbelknochen durchtrennt. Sie war damals 28 Jahre alt, ihr Mörder suchte noch ihr Appartement nach Geld ab, bevor er floh: 300 Mark nimmt er mit. Petra R., ermordet am 13.1.1989. Der Mörder schlägt ein Buddelschiff über dem Kopf der damals 30jährigen zusammen, sticht mit einem Messer 15mal zu und zertrümmert den Kopf seines Opfers mit einem Hammer. Auch hier findet der Täter 2.000 Mark Bargeld, bevor er flieht, alle drei Frauen arbeiteten als Prostituierte und hatten ihren Mörder als Freier empfangen.

Angeklagt wegen dreifachen Mordes „aus Habgier und Heimtücke“ (Staatsanwalt Frank Repmann in der Anklageschrift) ist der 28jährige Holzmechaniker Gerhard Sch. aus Bremen-Nord.

Die Opfer: Tanja Weber, Andrea Graf, Sandra Winter (von links)

Gleich zu Beginn der Hauptverhandlung vor der II. Strafkammer des Bremer Landgerichtes bestätigt Rechtsanwalt Andreas Wosgien das Geständnis seines Mandanten. Aber er zweifelt am Tatmotiv: Heimtücke und Habgier hätten „primär“ nicht den Ausschlag für die Taten gegeben.

Gerhard Sch. muß bei seiner Aussage jedes einzelne Wort herauspressen. Ein körperlicher Kraftakt ist jede Antwort, die er dem Vorsitzenden Richter Kurt Kratsch geben muß. Einzelgänger sei er, der gerne viel allein mache. Aber er dreht die Not zur Tugend: Kontaktscheue läßt ihn einsam werden, er ist „antriebslos“, wie seine frühere Freundin

hier bitte die drei

Frauenköpfe

Olivia O. (23) später aussagen wird.

Erste sexuelle Kontakte hat er als 19jähriger ausschließlich mit Prostituierten. Er wohnt bei den Eltern und arbeitet beim Bremer Vulkan. Er ist unauffällig.

1987 zieht er mit seiner ersten Freundin Olivia zusammen. „Ich habe ihn gemocht, er hat mich wohl geliebt“, beschrieb sie gestern vor Gericht die Beziehung. Sie: Lebensfroh, viele Freunde, unternehmungslustig. Er: „Humorlos und langweilig... Man kann sagen, er machte, was ich wollte“, sagt sie aus. Er bestätigt: Sie habe ihn richtig „mitgerissen“.

Dann überschlagen sich die Dinge. Sch. verliert im August 1987 seinen Job, das Geld bleibt aus, die Beziehung zu seiner Freundin, die noch Auszubildende ist, kriselt. Ein erster Selbstmordversuch scheitert, in den Akten werden für die nächsten drei Jahre weitere acht Suicidversuche registriert. Bis zum Dezember hat er das gemeinsame Konto auf 8.400 Mark Schulden heruntergewirtschaftet. Weihnachten steht vor der Tür, und keine Weihnachtsgeschenke.

„Da ist mir das erste Mal die Idee gekommen, eine Frau zu überfallen“, erinnerte er sich gestern vor Gericht. Zwei „Versuche“ schlagen fehl: Bei einer ehemaligen Nachbarin taucht überraschend Besuch auf, als er zuschlagen will, eine ältere Dame läßt ihn erst gar nicht in die Wohnung, als er um ein Glas Wasser bittet. Dann kommt der 21.Dezember 1987.

Ja, er hat die Frau angerufen und einen Termin verabredet. Dann ist er hingefahren, sie hat ihn empfangen. Alkohol war im Spiel. In seiner Jackentasche hat er ein Messer. „Ich habe da auf ihrem Bett gesessen und überlegt: Mache ich es, oder mache ich es nicht? Dann bin ich aufgestanden und habe einfach zugestoßen, nicht einmal mit Kraft, einfach so, und habe mich noch gewundert, warum sie sich wehrt.“ Was danach noch passierte, wird nicht öffentlich: Er habe „sexuelle Phantasien“, gesteht Gerhard Sch., alles weitere wird hinter verschlossenen Türen verhandelt. Später wird der Angeklagte sagen: „Ich kann gar nicht glauben, daß ich das gemacht habe.“

Richter Kratsch fragt präzise: Der Tatvorsatz bei allen drei Taten bestätigt sich, die Voraussetzung für die Mordanklage. „Die Frage ist jetzt, ob mein Mandant in der Lage war, sein Verhalten in den bestimmten Situationen zu steuern“, erläutert Rechtsanwalt Wosgien seine Prozeßstrategie. Sein Ziel ist, die verminderte Schuldfähigkeit seines Mandanten feststellen zu lassen, die er vor allem auf Aussagen stützt, die gestern unter Ausschluß der Öffentlichkeit erörtert wurden. Für den Angeklagten heißt das im Klartext: Knast oder Psychiatrie. Markus Daschner