Spielen stört die Hausruhe

■ Familie wurde dazu verurteilt, ihre Kinder in der Wohnung ruhig zu halten

Kreuzberg. Wenn es nach der 5. Zivilkammer des Berliner Landgerichts geht, dann dürfen Kinder in einem Mietshaus nicht laut spielen, rennen oder hüpfen. In dem jetzt ergangenen Urteil wurde ein Elternpaar dazu verurteilt, »zu unterlassen«, daß seine drei Kinder den Mieter der darunterliegenden Wohnung durch »Trittschallgeräusche von unverhältnismäßiger Dauer« belästigen. Bei Zuwiderhandlung wurde den Eltern ein noch festzusetzendes Ordnungsgeld angedroht.

Der Kläger Y. und die Beklagten F. wohnen in einem hellhörigen Mietshaus in der Manteuffelstraße in Kreuzberg. Die F.s haben drei Kinder im Alter von 3, 6 und 9 Jahren. Das Kinderzimmer liegt direkt über dem Schlafzimmer des Klägers Ibrahim Y., ein 50jähriger türkischer Immigrant, der Schichtarbeiter in einer Fabrik ist. Ibrahim Y., selbst Vater von drei Kindern, verklagte die Familie F., weil er sich durch »starkes Trampeln, Rennen, Springen und Hüpfen der Kinder F. belästigt und in seiner Gesundheit beeinträchtigt« fühlte. »Vor allem frühmorgens seien besonders laute Schläge zu vernehmen, die sich so anhörten, als ob jemand von mindestens einem Meter Höhe auf den Boden springt«. Die Geräusche seien von unterschiedlicher Dauer teilweise verebbten sie erst nach 20.00 Uhr. Das Ehepaar F. trug vor Gericht vor, ihre drei Kinder, die morgens mit den Eltern das Haus verließen und erst gegen 17.00 uhr zurückkehrten, verhielten sich altersgerecht.

In der Beweisaufnahme wurde ein mit dem Immigranten Y. befreundetes Ehepaar gehört. Das Paar bekundete, man habe sich in der Wohnung der Y.s wegen des übermäßigen Getrampels von oben nicht ungestört unterhalten können. Diese Aussage, so der Einzelrichter Schröder zur taz, habe einen maßgeblichen Einfluß auf die Entscheidung gehabt. Sein Urteil begründete der kinderlose Richter auch damit, er habe den Eindruck gewonnen, die Eltern F. würden nicht mäßigend genug auf ihre Zöglinge einwirken, »weil sie es für unangemessen halten, das Spielen der Kinder einzuschränken«.

Susanne F. hält das Urteil für »absolut kinderfeindlich«. Selbstverständlich würden sie und ihr Mann die Kinder zur Rücksichtnahme erziehen, »das müssen sie lernen«. Aber ebenso müsse die Gesllschaft Toleranz gegenüber Kindern üben. Die Mutter berichtete, daß die Famile F. früher einen guten nachbarschaftlichen Kontakt zu den Y.s gehabt und diesen auch bei der Erledigung von Bürokratiekram geholfen habe. Daß sich das Verhältnis in den letzten Jahren immer mehr verschlechterte, kann sich Susanne F. nur so erklären, daß »sich der Türke in seiner Art, mit Kindern umzugehen und gleich zum Gericht zu rennen, immer mehr eingedeutscht hat«. Außerdem vermutete die Mutter, daß die Y.s Interesse an der Wohnung der F.s hätten. Y.s achtjähriger Sohn, der die Antwort seines Vaters auf Nachfrage der taz am Telefon übersetzte, blieb dabei, daß das Toben der Kinder unerträglich laut sei.

Die Familie F. hat gegen das Urteil Berufung eingelegt. Aber ob es noch zu einer Verhandlung vor dem Kammergericht kommen wird, ist fraglich, weil die F.s aus dem Mietshaus in der Manteuffelstraße ausziehen werden. Die Familie hatte das große Glück, woanders eine Vierzimerwohnung zu finden. »Sonst«, ist Susanne F. überzeugt, »wäre das Urteil für uns eine Zeitbombe, weil wir nicht bereit sind, unsere Kinder zur Ruhe zu züchtigen.«

Daß es auch anders geht, zeigt ein Urteil des Kasseler Amtsgericht von 1991 (AZ: 872C 855/91) zum Kinderlärm in einem hellhörigen Mietshaus. Die Entscheidung: Kinderlärm sei zumutbar und müsse hingenommen werden. Der eigentliche Grund für die Lärmstörung sei die Hellhörigkeit des Hauses. Dafür, so der Richter, seien aber nicht die Kinder verantwortlich zu machen. plu