»Je dunkler, desto schlimmer«

■ Berlins Universitäten sind kein internationalender Hort der Liberalität und auch keine Stätten wert- und vorurteilsfreier Lehre und Forschung/ Rassistische Kommentare in den Vorlesungen

Berlin. In einer Einführungsveranstaltung für Erstsemester stellte das FU-AusländerInnenreferat seine Arbeit und seine Angebote vor. Einer der anwesenden Professoren sah sich um, lächelte mokant und sagte vernehmlich: »Es ist doch sowieso keiner von den Bimbos hier.« Ein Kollege an der juristischen Fakultät, liebt es, das Thema Zwangsehen mit Beispielen zu erläutern wie »der Araber mit seinen sechs Frauen« oder »der Mann aus Afrika, der nicht weiß, daß man mit einer 14jährigen nicht schlafen darf«. Ein TU-Professor redet von Arabern überhaupt nur als von »Kameltreibern« und kommentiert unrichtige Antworten schon mal mit »Wir sind hier nicht im Busch!«. Ein anderer empfiehlt dunkelhaarigen Studentinnen: »Vielleicht lernen Sie doch erst mal Deutsch«, wenn sie auf seine Fragen nicht sofort antworten. Betriebsunfälle sind solche Äußerungen keineswegs. Auch in einem Brief namhafter TU-Professoren wird gegen die »rechts- und pflichtwidrige Duldung und sogar faktische Unterstützung der Aktivitäten des Antirassistischen Zentrums und der Asylbewerber« durch die Universitätsleitung protestiert, nicht ohne zuvor die Milliarden zu erwähnen, die der Zustrom größtenteils unberechtigt um Asyl nachsuchender Flüchtlinge die deutschen Steuerzahler kosten.

Im Umgang mit Verwaltungen und Hausmeistern genügt ein ausländischer Akzent, um die Aussichten erheblich zu schmälern, einen Raum zu mieten oder die Ausleihzeit für einen Overhead-Projektor zu verlängern. »Mir wird noch nicht einmal geglaubt, wenn ich einen defekten Fahrstuhl melde«, erzählt ein palästinensischer Student.

Unter den StudentInnen selbst ist offener Rassismus zwar verpönt, in die »Türkenecke« im TU-Foyer aber verirren sich kaum Deutsche. Kontakte zu ausländischen Studierenden sind sehr selten, bestenfalls in Arbeitsgruppen oder in den Arbeitsräumen der Unis hat man miteinander zu tun. Statt dessen tauchen immer häufiger Schmierereien wie »Husch, husch, husch, Neger in den Busch« oder auch »Sieg Heil« auf Gängen und in Toiletten auf.

»Die Ausländer unter sich sind auch rassistisch«, meint ein Student aus Ghana. »Araber wollen nichts mit Schwarzen zu tun haben, Perser nichts mit Türken und Kurden.« Die Zeichensäle im fünften Stock des TU-Hauptgebäudes beispielsweise sind streng nach Nationen aufgeteilt, zwischen ihnen wird kaum kommuniziert. Die Auseinandersetzungen zwischen den ausländischen Studierenden spiegeln oft die politischen Konflikte in den Herkunftsländern. Gerade die Gruppen aus Nahost setzen sich stark voneinander ab. Palästinenser und Israelis etwa haben auch hier ihre Schwierigkeiten miteinander. Im ersten Zeichensaal der Iraner sitzen die Schahflüchtlinge, im zweiten die Revolutionsflüchtlinge, im dritten die Stipendiaten des Regimes und im vierten die Kurden.

Mehrere studentische Initiativen wollen dem Rassismus innerhalb und außerhalb der Universität etwas entgegensetzen. Gruppen, die rassistische Äußerungen ihrer DozentInnen sammeln, haben hefterweise Material zusammengetragen. Das Antirassistische Zentrum an der TU, welches sich für die Flüchtlinge im Mathe-Gebäude engagiert, wird von der FU aus durch die Antirassistische Initiative (ARA) unterstützt. »Unsere konkreten Ziele sind es, die Zwangsverteilung von Asylanten zu stoppen und ein Bleiberecht für die Flüchtlinge an der TU zu erwirken«, so Roland Wylezol von der ARA. Darüber hinaus betreiben sie Öffentlichkeitsarbeit, beschäftigen sich mit Rassismus-Theorien und wollen eine Rechtsberatung für AsylbewerberInnen und AusländerInnen organisieren. In einem Café (täglich von 12-17 Uhr im Raum KL 26/132) werden Kontakte und Informationen vermittelt.

»Wir wollten die verhärteten Strukturen an der TU aufbrechen und auch die Leute erreichen, die immer sagen, wir sind nicht ausländerfeindlich, wir essen gern Döner«, sagt Marcus Naczinsky von der Sprachbörse. Diese organisiert Sprachkurse in kleinen Gruppen, von StudentInnen geleitet, die die betreffende Sprache als Muttersprache sprechen und auch in die jeweilige Landeskunde einführen. »Einige haben am Anfang schon geschluckt, wenn ihr Französischlehrer aus Senegal kam oder die Spanischlehrerin aus Kolumbien«, weiß Marcus. Abgesprungen seien aber die wenigsten. Unter den ebenfalls gemischten TeilnehmerInnen entstehen oft auch private Freundschaften. Im Multikulticafé dienstags abends wird Essen oder Folklore aus einem bestimmten Land angeboten, über Filme oder aktuelle Probleme diskutiert.

Die ausländischen Studierenden selbst organisieren sich in eigenen Vereinen. »Im Café unseres türkischen Studentenvereins können die Leute Tee trinken, Schach spielen, sich mit anderen Semestern unterhalten. Das gibt vielen einen Rückhalt«, sagt Cetin E. Genauso wichtig sei aber auch die politische Arbeit.

Die Situation der ausländischen Studierenden ist auch zunehmend von der Angst vor Übergriffen außerhalb der Uni geprägt. Gygsa A. aus Äthiopien verläßt abends nicht mehr das Wohnheim. »Ich riskiere doch nicht mein Leben«, sagt der Promovend der Lebensmitteltechnik aus Äthiopien. »Ich kenne viele Leute, gerade an der Uni, die nett zu mir sind, aber das mindert nicht meine Angst, ein Messer in den Bauch zu bekommen«, wie es einem Bekannten beinahe passiert sei. Laura A. aus Uruguay war seit zwei Jahren nicht mehr im Kino oder im Theater, auch zu Feten geht sie nicht mehr. »Ich habe immer Angst, angegriffen zu werden, schon tagsüber werde ich ständig angepöbelt«, sagt sie.

Vor allem der Ostteil der Stadt sowie S- und U-Bahnen werden immer mehr zu angstbesetzten Orten. »Ich höre in der S-Bahn nicht mehr Walkman«, sagt ein türkischer TU-Student. »Ich gucke und horche statt dessen, ob es gefährlich werden könnte — obwohl es immer schon zu spät sein kann.« Seit er einmal knapp einer 50köpfigen Skin-Bande im S- Bahnhof Unter den Linden entgangen ist, fährt er gar nicht mehr in den Ostteil der Stadt. Freunde, die es doch gewagt haben, seien furchtbar zusammengeschlagen worden.

Solche Berichte sind für die MitarbeiterInnen der Ausländerreferate mittlerweile an der Tagesordnung. Auf ihr Studium konzentrieren könnten sich nur noch die wenigsten, sagt ein Mitarbeiter des FU-AusländerInnenreferates. »Die Angst bestimmt das Lebensgefühl.« Seiner Meinung nach haben die Übergriffe weniger mit Ausländerfeindlichkeit zu tun, sondern seien rassistischer Natur. »Einzig die Hautfarbe zählt. Je dunkler, desto schlimmer.« Corinna Raupach