piwik no script img

Genius und Magengeschwüre

■ Jodie Fosters Regiedebüt „Das Wunderkind Tate“

Der männliche Hauptdarsteller spielt mit einer bewundernswerten Intensität. Er wirkt immer ein wenig verzweifelt, wenn er mit seinen großen traurigen Augen die Welt um sich herum betrachtet und Antworten auf Millionen von Fragen sucht. Dabei gibt „es niemals den Hauch eines Anzeichens, daß er zu schauspielern versucht“, lobte die 'New York Times‘, „statt dessen reagiert er auf die Personen und Geschehnisse um ihn herum und bleibt dabei immer ein geheimnisvoller Charakter.“ Der Schauspieler heißt Adam Hann-Byrd, und er wird Ende dieses Monats zehn Jahre alt.

Es ist schon erstaunlich, wie Hollywood immer wieder diese hervorragenden Kindermimen findet, die dann auch flugs zu hochbezahlten Stars werden. Der kleine Macauly „Kevin“ Culkin zum Beispiel ist nicht mehr unter drei Millionen Dollar Gage zu haben.

Ex-Kinderstar Jodie Foster hat in ihrem Regiedebüt Das Wunderkind Tate (Little Man Tate) die Titelrolle perfekt besetzt. Adam Hann-Byrd hatte anscheinend keine Schwierigkeiten, den komplizierten Charakter des Wunderknaben darzustellen: „Jodie hat mir gesagt, wie ich es machen soll. Und ich habe dann eben auf sie gehört.“

Der Film zeigt ein Jahr im Leben des überdurchschnittlich intelligenten und talentierten siebenjährigen Jungen Fred Tate. Der Kleine konnte bereits lesen, als er ein Jahr alt war. Mit vier schrieb er Gedichte. In der zweiten Klasse verblüfft er seine Lehrerin, als diese wissen will: „Welche der Zahlen eins bis neun kann durch zwei geteilt werden?“ Antwort Fred: „Jede!“ Er malt Aquarelle, spielt ausgezeichnet Piano, hilft seiner Mutter bei der Steuererklärung und schenkt ihr zum Geburtstag eine komplette, selbstgeschriebene Oper. Fred ist aber auch hochsensibel. Über den Zustand der Welt sorgt er sich so sehr, daß er Magengeschwüre bekommt.

Freds Mutter Dede (Jodie Foster), die als Serviererin jobbt, hat zwar ein warmherziges, kumpelhaftes Verhältnis zu ihrem Sohn, ist jedoch eindeutig überfordert. Fred vereinsamt immer mehr. Die Psychologin Jane Grierson (Dianne Wiest) wird auf Fred aufmerksam. Sie leitet ein Institut für außergewöhnlich begabte Kinder. Das Klein-Genie kommt prima mit der Intellektuellen zurecht. Dede reagiert zunächst abweisend. Ihr erscheint die kühl auftretende Psychologin als eine Konkurrentin um das Wohl ihres Kindes. Schließlich willigt sie schweren Herzens ein, Fred für eine begrenzte Zeit in das Institut zu schicken.

Jodie Foster meistert das schwierige Thema souverän. Zwar hätte sie auf einige Spielereien, wie die blau leuchtenden Zahlen, die da um Freds Kopf herumschwirren, wenn er eine knifflige Rechenaufgabe löst, verzichten können, und auch der Schluß geriet etwas kitschig, doch im großen und ganzen hat sie mit Das Wunderkind Tate einen unterhaltsamen und sehenswerten Erstling abgeliefert. Bleibt nur die Befürchtung, daß Hollywood aus dem neuen Thema gleich einen Trend kreiert, den es dann gnadenlos ausschlachtet. Erstes Anzeichen: Kathleen Turner spielt in House of Cards die Mutter einer hyperbegabten Tochter. Karl Wegmann

Jodie Foster: Das Wunderkind Tate , mit Adam Hann-Byrd, Jodie Foster, Dianne Wiest u.a.; USA 1991; 99 Min.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen