Westliche Hilfe gescheitert?

■ IWF- und Weltbankkonzepte brachten dem Senegal nicht den gewünschten Erfolg

Dakar (dpa/vwd) — Senegal lebt eigentlich davon, daß es den anderen afrikanischen Ländern immer ein Stück voraus ist. Der Staat an der Westküste Afrikas ist die älteste Demokratie des Kontinents. Als erstes Land in Schwarzafrika hatte er 1979 mit dem Internationalen Währungsfonds (IWF) und der Weltbank ein Abkommen zur Sanierung seiner Wirtschaft („Strukturanpassung“) geschlossen. Der Westen zeigte sich deshalb den Senegalesen gegenüber großzügiger als jedem anderen Land.

Senegal erhält über 600 Millionen Dollar (fast eine Milliarde DM) im Jahr an ausländischen Hilfen. Dies sind knapp 140 DM für jeden der 7,2 Millionen Einwohner, fast fünfmal so viel wie der afrikanische Durchschnitt. Die Entwicklungshilfe macht in Senegal zwei Drittel der Exporteinnahmen oder 14 Prozent des gesamten Bruttosozialprodukts aus. Aber haben diese Milliarden- Beträge wirklich geholfen?

Die Entwicklungshilfe hat dazu beigetragen, daß Senegal mit einem Pro-Kopf-Einkommen von nun 670 Dollar (1.070 DM) im Jahr in Afrika nicht zu den ärmsten Staaten gehört, sondern eher im oberen Mittelfeld rangiert.

Auch die politische Stabilität ist beinahe beispielhaft: Seit der Unabhängigkeit gab es keinen Militärputsch, keinen Bürgerkrieg und kein Schreckensregime.

Hinter der heilen Fassade des Musterlandes liegt jedoch einiges im argen. Mit einer Analphabetenrate von 72 Prozent und einer Lebenserwartung von durchschnittlich 48 Jahren steht Senegal nicht besser da als Mosambik, das ärmste Land Afrikas.

Auch sind die Senegalesen trotz des Geldstroms aus dem Westen immer ärmer geworden. In den vergangenen 25 Jahren sank das Pro-Kopf- Einkommen jährlich um 0,8 Prozent. Die Armut in der Bevölkerung wird gravierender, die Slumsiedlungen in Dakar breiten sich immer rascher aus, die Kriminalität nimmt zu.

Für viele Senegalesen besteht kein Zweifel daran, daß das Entwicklungsmodell des Westens gescheitert ist. „Seit 1979 sagt man uns, wir sollten Opfer bringen, und wir würden bald Licht am Ende des Tunnels sehen. Aber das Resultat ist, daß Senegal immer ärmer geworden ist“, sagt Mamadou Oumar Ndiaye, Chefredakteur der Zeitschrift 'Le Temoin‘.

Westliche Diplomaten führen dies darauf zurück, daß Senegal die Rezepte des IWF und der Weltbank nicht konsequent angewandt habe. „Es ist richtig, daß Senegal nicht alle Verpflichtungen eingelöst hat“, meint Ndiaye. „Aber das konnte die Regierung auch nicht. Wenn sie — wie gefordert — Beamte entlassen und den Preis für das Grundnahrungsmittel Reis erhöht hätte, wäre dies Selbstmord gewesen. Die Regierung wäre von einer riesigen Protestbewegung gestürzt worden.“ Wer in Dakar danach fragt, welches der Ausweg aus der Krise ist, erntet Ratslosigkeit und Schulterzucken. „Es besteht die große Gefahr, daß sich die Lage in Senegal destabilisiert“, warnt eine westliche Diplomatin.