„PDS-Richterin“ entzweit Berliner Senat

■ SPD und CDU haben sich in ausweglose Situation manövriert/ PDS-Frau für CDU öffentlich nicht tragbar

Berlin (taz) — Im Berliner Regierungsbündnis kracht es. Heute tritt der Koalitionsausschuß zusammen, um die scheinbar ausweglose Situation zu beraten. In die haben sich CDU und SPD manövriert, indem sie die Übernahme einer Richterin der ehemaligen DDR in den gesamtdeutschen Justizdienst zum parteipolitischen Zankapfel erkoren.

Cathrin Junge, früher in Ost-Berlin als Familienrichterin tätig, war, wie die meisten ihrer KollegInnen, Mitglied der SED. Nach der Wende blieb sie in der PDS. Aus diesem Grund ist sie, nach Ansicht der CDU, im öffentlichen Dienst nicht tragbar. Frau Junge habe, so argumentieren die Christdemokraten zudem, an einem Haftbefehl für einen Republikflüchtling mitgewirkt. Das haben allerdings auch eine Reihe ihrer KollegInnen gemacht, die inzwischen übernommen wurden.

Die Richterin hatte sich nach der Wende um eine Übernahme in die Berliner Justiz beworben und alle Eignungsprüfungen bestanden. Der Richterwahlausschuß berief sie bereits im Oktober letzten Jahres zur Richterin auf Probe. Doch seitdem weigert sich die CDU-Mehrheit im Senat, die Frau zu ernennen. Die SPD will sich nicht überstimmen lassen. Um keinen offenen Streit in der Koalition zu provozieren, schickte man im Dezember die Akte Junge an den Richterwahlausschuß zurück — mit der Bitte um nochmalige Überprüfung. Dieser taktische Zug führte jedoch nicht zum gewünschten Ergebnis. Im Gegenteil: Der Richterwahlausschuß sah darin ein unverhohlenes Mißtrauensvortum gegen seine bisherige Arbeit und weigerte sich — auch mit Stimmen seiner CDU-Mitglieder — eine erneute Überprüfung vorzunehmen.

Der Regierende Bürgermeister Eberhard Diepgen fühlte sich düpiert. Vor dem Berliner Abgeordnetenhaus überlegte er letzte Woche laut, „ob dem Richterwahlausschuß deutlich gemacht werden muß, daß er eine gewisse Achtung auch vor Verfassungsorganen zu zeitigen hat“. Dieser Satz erregte die Abgeordneten der Opposition, aber auch der SPD, sahen sie doch die Unabhängigkeit der Justiz tangiert.

In der Tat verbirgt sich hinter dem Streit um die sogenannte „PDS-Richterin“ ein grundsätzlicher Konflikt um die Kompetenz der Verfassungsorgane. In Berlin war es jahrzehntelang geübte Praxis, daß der Senat die vom Richterwahlausschuß berufenen Richter automatisch ernennt. Diesen Grundsatz sehen, im Fall Junge, die Oppositionsparteien und die SPD gefährdet. Die SPD kann sich in der Auseinandersetzung auf den Einigungsvertrag berufen. Darin ist festgelegt, daß bei der Übernahme von RichterInnen der ehemaligen DDR die Entscheidung bei einem Richterwahlausschuß und den Justizministern liegt.

Gewappnet mit den besseren Argumenten, wollen die Sozialdemokraten hart bleiben, die CDU treibt jedoch die Angst um ihre rechte Wählerschaft um. Einig ist man sich nur in dem Willen, den Konflikt möglichst schnell beizulegen, denn im Mai finden in Berlin die Wahlen zu den Bezirksparlamenten statt, und die „PDS-Richterin“ droht damit zum Wahlkampfthema zu werden. Dieter Rulff