Bremerhaven kapituliert vor Arbeitslosigkeit

■ Nach der Ankündigung des US-Abzugs: Magistrat und Gewerkschaft streiten um Zuständigkeit

Der Abzug der amerikanischen Truppen aus Bremerhaven hat in der Küstenstadt zu einem heftigen Streit zwischen Magistrat und Gewerkschaften geführt. Gestern erklärten Oberbürgermeister Karl Willms und Sozial-Dezernent Günter Lemke, daß für die drohende Arbeitslosigkeit der etwa 1.200 Zivilbeschäften „ausschließlich die Tarifparteien, also die Gewerkschaften und das Arbeitsamt“ gefordert seien. „Die Kommune ist strukturpolitisch nicht verantwortlich“, sagte Willms, „auch wenn das von den Betroffenen nicht unmittelbar eingesehen werden kann.“

Der Oberbürgermeister reagierte damit auf eine Forderung der Gewerkschaften ÖTV, DAG und der Personalvertretung der

Zivilbeschäftigten, die Stadt solle die von Arbeitslosigkeit bedroh

ten US-Zivilangestellten bevorzugt einstellen. Willms: „Die meisten von ihnen sind gar nicht qualifiziert genug, um bei uns eingestellt werden zu können.“ Die Kommune habe außerdem eine arbeitsmarktpolitische Verantwortung gegenüber allen 7.700 Arbeitslosen in der Stadt. „Bei uns wird weiter jede Stelle ausgeschrieben und nach Qualifikation eingestellt. Niemand wird bevorzugt“.

Gleichzeitig attackierte Willms die Gewerkschaften. „Es gibt noch nicht einmal einen Sozialplan“, kritisierte er den „freien Fall“ der Armeeangestellten in die Arbeitslosigkeit, und das sei die Schuld der Gewerkschaften. Derzernent Lemke: „Die Kommune hat im letzten Jahr 80 Millionen Mark aus Mitteln des Arbeitsamtes, des Landes und der EG nach Bremerhaven geholt. Mehr können wir nicht tun.“

ÖTV-Sekretär Ralf Krüger findet die Vorwürfe von Willms „grotesk“. Die Gewerkschaften würden schon seit 1990 vor dem Szenario des Rüchzugs aller Truppen warnen, „und noch im Oktober hat uns Bürgermeister Heinz Brandt Panikmache vorgeworfen.“ Personalvertreter Reinhard Hensel erklärte gestern auf Anfrage: „Herr Willms hat das Problem, daß er über Dinge spricht, von denen er nichts versteht.“ Natürlich sei den Gewerkschaften klar, daß der Magistrat nicht 1.000 neue Stellen schaffen könne. Es gehe aber darum, ein Signal zu setzen. „Der Magistrat hat aber bis heute nicht einen einzigen Vorschlag gemacht“, kritisierte er.

Dezernent Lemke hofft derweil auf Unterstützung von Bund, Land und Arbeitsamt. Das Landesarbeitsamt soll wegen des Rückzuges der Amerikaner seine ABM-Kürzungen rückgängig machen (in Bremerhaven sollen 800 ABM-Stellen gestrichen werden), und Arbeitssenatorin Sabine Uhl soll weiterhin ungekürzte Komplementärmittel für die Seestadt zur Verfügung stellen.

Bereits jetzt ist aber klar: Die Komplementärmittel aus Bremen schmelzen proportional zu den Mitteln, die das Arbeitsamt für ABM einspart. „In Bremerhaven wird es in Zukunft noch 400 ABM-Stellen geben, und entsprechend werden wir Mittel zur Verfügung stellen“, erklärte der Sprecher der Arbeitssenatorin, Jörg Henschen. Einsparung: Zweidrittel des 1991er Etats.

Senatssprecher Sondergeld erklärte gestern, daß für Bremerhaven Geld aus Bonn im Rahmen der Standortkonversion eingesetzt werden sollte. „Die Summe tauchte allerdings gestern im Vermittlungsausschuß nicht mehr auf“, schränkte er ein. mad