Mehmets Odyssee

Berlin (taz) — Wie verwirklicht ein kleiner Junge seinen Traum vom Fliegen? Letzten Dienstag machte es der elfjährige Istanbuler Mittelschüler Mehmet Balkiz allen vor:

Man erreicht den Flughafen Istanbul, schleust sich durch die Polizeikontrolle am Eingang der Abflughalle und findet eine kinderreiche türkische Familie, unter die man sich mischen kann, um so unbehelligt die Paß- und Ticketkontrolle zu überwinden. Genau so gelangte der kleine Weltenbummler in eine türkische Maschine, die von Istanbul abfliegen sollte. Wohin die Reise ging, war ihm egal. Er wollte nur mal irgendwohin fliegen und mit derselben Maschine wieder zurück nach Istanbul. Neugierig wurde er dann aber trotzdem. Von einem der Fluggäste erfuhr er, daß sie nach Berlin flogen. Dort angekommen, mogelte er sich wieder geschickt durch die Kontrollen. „Wenn ich schon einmal in Berlin bin, dann will ich mir die Stadt auch mal genau anschauen“, sagte er sich. Er fand den Weg zur S-Bahn und fuhr mit ihr eine Weile durch die neuen Vororte der Stadt. Irgendwann bekam er es jedoch mit der Angst zu tun und kehrte zum Flughafen Schönefeld zurück, um dann wie gewohnt die nächste Maschine nach Istanbul zu nehmen. Leider wollte sein alter Trick diesmal nicht klappen. Bei einem türkischen Fluggast tauschte er sein türkisches Bares in Höhe von 25.000 TL (etwa acht DM). Damit rief er sofort seine besorgten Eltern in Istanbul an und teilte ihnen mit, daß er sich in Berlin aufhalte. Wie reagiert eine höchst besorgte Mutter: Sie war krank vor Gram. Nur kurze Zeit später griff ihn dann doch die Flughafenpolizei auf. Der Junge wurde in ein Jugendwohnheim in Potsdam gebracht. Dem türkischen Dolmetscher und den Journalisten, die ihn am Mittwoch besuchten, sagte der sichtlich übermüdete Weltenbummler, hier gefiele es ihm überhaupt nicht. Lieber wolle er sich ein bißchen die Stadt anschauen— wenn er schon mal hier ist. Auch das Essen schmeckte ihm nicht. Er wollte am liebsten einen Döner und 'ne Cola, was ihm prompt beschafft wurde. „Ich wollte nur mal mit 'nem Flugzeug fliegen“, sagte der Kleine. „Das war immer mein Traum. Eigentlich wäre es mir ja lieber gewesen, ich wäre nach Holland geflogen, denn da habe ich eine Tante.“ Nun müssen sich die Potsdamer Behörden und das türkische Generalkonsulat noch darüber einigen, wer die Rückreisekosten für den Jungen übernimmt. Mustafa Mete