Ossis strahlenfester als Wessis?

Berlin (taz) — Wer in der Nähe von Betrieben der Wismut AG lebt, dem wird auch in Zukunft eine höhere Strahlenbelastung zugemutet als in der übrigen Bundesrepublik. Die Empfehlungen der Strahlenschutzkommission (SSK) zur zukünftigen Nutzung von kontaminierten Flächen in der Wismut-Region lassen erhebliche Überschreitungen der in der Strahlenschutzverordnung festgelegten Radioaktivitätsgrenzwerte zu. Damit müsse der Eindruck entstehen, kritisiert die Gruppe Ökologie aus Hannover in einer Stellungnahme, „die Werte seien entweder willkürlich gewählt oder in dieser Höhe festgelegt worden, um die Sanierungskosten möglichst gering zu halten“. Alle Empfehlungen der SSK orientieren sich an einer möglichen zusätzlichen Belastung der Betroffenen in der Wismut-Region von 100 Millirem pro Jahr und damit, wie Joachim Listing vom Greenpeace- Büro in Berlin kritisiert, „am alten DDR-Recht. Sie widersprechen der bundesdeutschen Strahlenschutzverordnung.“ Danach darf die Ganzkörperbelastung eines Menschen aus der normalen Bevölkerung 30 Millirem pro Jahr nicht überschreiten. Sowohl für die industrielle Nutzung wie auch für für Grünanlagen oder Wohngebiete können laut SSK vom Wismuter Uranbergbau betroffene Flächen mit einem Aktivitätsgehalt von weniger als 0,2 Bq/gr Boden uneingeschränkt freigegeben werden. Bei land- und forstwirtschaftlicher Nutzung lassen die im Dezember veröffentlichten Empfehlungen der SSK bis zu 1 Bq/gr Boden zu. Bei höherer Belastung, heißt es lapidar, „soll unter Beachtung der standortspezifischen Bedingungen die Notwendigkeit von Maßnahmen geprüft werden“. Christian Küppers vom Ökoinstitut in Darmstadt hat errechnet, daß Kinder und Erwachsene mit dem Verzehr von Gemüse, Getreide, Milch und Fleisch von den Flächen der Wismut-Region mit einem Vielfachen der zulässigen Strahlendosis belastet würden: Erwachsene um das Vierzigfache und Kleinkinder um das Sechzigfache. Gegen die Ungleichbehandlung gegenüber der westdeutschen Bevölkerung haben Einzelkläger aus der Wismut-Region sowie drei Kommunen Verfassungsbeschwerde eingelegt. bm