Hessen durchkreuzt Seiters Asylpläne

■ Ministerpräsident Eichel: Beschleunigung ist nicht realisiert/ FDP-Fraktionschef Solms will Artikel 16 nach europäischer Einigung ändern/ Streit um Finanzierung von Sammellagern in Kasernen

Berlin (taz) — Hessens Landesregierung sperrt sich gegen den von Bundesinnenminister Rudolf Seiters vorgelegten Entwurf des Asylverfahrensgesetzes. In einem Brief begründet Ministerpräsident Hans Eichel (SPD) das Nein der rot-grünen Koalition in Wiesbaden damit, daß nach wie vor „die nachdrücklich geforderten Vereinfachungen und Beschleunigungen nicht realisiert worden sind“. Ungeklärt sei nach wie vor, wofür der Bund und wofür die Länder zuständig seien, monierte Eichel. Weiterer Kritikpunkt: Es sei verfassungsrechtlich bedenklich, daß Seiters gegen die Entscheidung von Einzelrichtern keine Rechtsmittel zulassen wolle.

Die SPD hat unterdessen gestern angekündigt, daß sie einen eigenen Gesetzentwurf zum Asylrecht beschließen will, wenn es bis zur nächsten Woche nicht zu einem Kompromiß mit der Regierung kommt. Die Ankündigung von CDU/CSU-Fraktionschef Schäuble, daß bereits am 20. Februar ein gemeinsamer Gesetzentwurf von Union, FDP und SPD über ein Beschleunigungsverfahren beraten werde, wollte der parlamentarische SPD-Fraktionsgeschäftsführer Peter Struck nicht bestätigen. Hauptstreitpunkt ist die Finanzierung der Sammellager: Das Bundesfinanzministerium besteht weiter darauf, daß die Länder Miete für freiwerdende Kasernen zahlen sollen, in denen Asylbewerber untergebracht werden. Ein Sprecher versuchte gar, die besondere Großzügigkeit seines Ministers herauszukehren: Den Ländern seien bereits Abschläge von bis zu 60 Prozent der ortsüblichen Gewerbemiete eingeräumt worden. „Wenn man bedenkt, daß sie zur Zeit für eine Hotelunterbringung etwa 35 Mark pro Kopf und Nacht zahlen müssen“, sei der Bund geradezu ein Billigvermieter. Struck forderte hingegen, der Bund solle die Gebäude den Ländern kostenlos zur Verfügung stellen.

FDP und CDU/CSU sind sich dagegen inzwischen einig, daß sie das Asylrecht einschränken werden — der Streitpunkt ist jetzt nur noch: wann. „Wir haben im Rahmen der Koalitionsvereinbarungen Anfang der Legislaturperiode festgeschrieben, daß die Koalition ein europäisches Asylrecht anstrebt. Das heißt: „Wenn europäisches Asylrecht nicht identisch ist mit den deutschen Rechtsnormen, müssen wir die deutschen Rechtsnormen anpassen“, sagte gestern der FDP-Fraktionsvorsitzende Hermann Otto Solms gegenüber der taz. Eine Änderung des Artikels 16 sei deshalb nicht „unwahrscheinlich“, aber für die FDP erst nach einer europäischen Regelung spruchreif. Schon im September hatte Solms den neuen Kurs der Liberalen eingeläutet. Aber während die CDU für eine schnelle Änderung eintritt, will die FDP erst sicherstellen, daß die nicht zur EG gehörenden Grenzländer Polen, CSFR, Österreich und Schweiz „mitwirken“. aje