Niedersachsen vor dem Finanzloch

■ Schröder fürchtet Milliardenverluste bei Umsetzung des Bonner Steuerpakets

Die finanziellen Spielräume der rot-grünen Landesregierung in Hannover sind überaus eng. Ministerpräsident Gerhard Schröder entwarf am Donnerstag höchstpersönlich ein Negativszenario. Demzufolge würde das aktuelle Steuer- und Finanzpaket aus Bonn im Falle seines Inkrafttretens (Schröder: „Wovon ich nicht ausgehe“) den rot-grünen Finanzexperten folgenschwere Defizite bescheren. Weitere Abstriche an rot-grüner Sozial-, Bildungs- und Umweltpolitik seien dann unausweichlich. Welche das wären, vermochte der Regierungschef noch nicht zu sagen.

Schröder will den „Status quo“ halten, also ohne Verluste aus den finanzpolitischen Veränderungen zwischen Bund und Ländern herausgehen. Doch danach sieht es momentan nicht aus. Dickster Verlust wäre die Strukturhilfe, einst von Vorgänger Ernst Albrecht (CDU) erstritten, inzwischen auch von der SPD geschätzt. Sie könnte nun praktisch sofort auslaufen mit Schlußrechnung zum Jahresende 1991. Die Fehlbeträge wären 440 Millionen Mark in diesem Jahr, 652 Millionen Mark in den folgenden Jahren. Doch dieses Geld hat Rot- Grün bis 1995 fest eingeplant.

Der von Bonn geplante höherere Steuerfreibetrag für Kinder würde das Land jährlich mit zwischen 157 und 203 Millionen Mark belasten. Auch deshalb fordert Schröder stattdessen eine Verdoppelung des Erstkindergeldes von 50 auf 100 Mark, weil der Bund dieses Geld allein aufbringen müßte. Würde die Unternehmenssteuerreform in der vom Bundesfinanzminister beabsichtigten Form umgesetzt, bekäme Niedersachsen 1993 rund 220 Millionen, 1994 sogar 302 Millionen Mark weniger in die Kasse. Nur einen geringen Ausgleich verschafft der Abbau von Subventionen.

In den am Donnerstag morgen vom Finanzministerium zusammengestellten Defizitübersichten belaufen sich die Fehlbeträge für die Jahre 1992 bis 1994 auf 660, 829 und 723 Millionen Mark. Den Städten und Gemeinden gingen nach diesen Berechnungen 24, 108 und 94 Millionen Mark verloren. Doch selbst ohne diese Einbußen droht der Landeskasse ein Loch in Milliardenhöhe: In der Finanzplanung für die nächsten Jahre wurden ohne konkrete Angaben Minderausgaben und Mehreinnahmen „global“, das heißt praktisch als ungedeckte Schecks, eingesetzt. Gesamtgrößenordnung: Je über 1,1 Milliarden Mark für 1993 und 1994.

Mehr als die Kritik der CDU/ FDP-Opposition, Schröder argumentiere nur aus Eigennutz, um die rot-grüne Finanzmisere zu kaschieren, wird der Landesregierung der Druck der eigenen Basis in den Kommunen zu schaffen machen. Dort wartet man auf Mittel für mehr Wohnungsbau und mehr Lehrer, für zusätzliche Kindergärten- und Altenpflegeplätze. Auch wenn die Landesregierung beim Wegfall der Strukturhilfe die Schuld noch so vehement nach Bonn abschiebt, werden die Städte und Gemeinden ihre Forderungen zur weiteren Finanzierung der über 1.250 angemeldeten Projekte doch an das Land richten. Andreas Möser (dpa)