: Von Stasi im Landtag will die SPD nichts wissen
■ SPD spricht von „Überprüfungshysterie“, läuft aber Gefahr von CDU, FDP und Grünen überstimmt zu werden
„Schaden für die politische Kultur“ in seinem Hohen Hause fürchtet der niedersächsische Lantagspräsident Horst Milde (SPD) bei einer Durchsicht der Stasi-Akten seiner Abgeordneten. Der SPD-Landes- und Fraktionsvorsitzende Johann Bruns will der allgemeinen „Überprüfungshysterie“ widerstehen. Und beide SPD-Landespolitiker würden es unisono für „einen späten Triumph der Staatsicherheit“ halten, wenn der Landtag in Hannover ein Gesetz zur Fahndung nach Stasi-Kontakten von Abgeordeneten beschlösse.
Mit diesem „Nein“ hat die niedersächsische SPD in dieser Woche das rot-grüne Stasi-Durcheineinader um eine dritte Variante bereichert: In Hessen sind beide Koalitionäre gegen eine Überprüfung, in Bremen haben die Grünen dem großen Koalitionspartner gerade das delikate Problem durch einen Antrag im Landesparlament serviert. In Hannover kann sich nun der CDU-Fraktionsvorsitzende Jürgen Gansäuer „auf die pikante Abstimmung“ freuen.
Die SPD-Fraktion hat sich am Dienstag bei nur einer Enthaltung gegen eine solche Gesetzesnovelle ausgesprochen. Der grüne Koalitionspartner findet das „völlig unverständlich“ und will weiter das Gesetz, das im übrigen auch nur freiwillige und keine Regel-Überprüfung durch den Geschäftsordnungsauschuß des Landtages ermöglichen soll. Der SPD-Abgeordnete Gerhard Schröder scheint dabei Verständnis für das grüne Anliegen zu haben: Wenn es ein entsprechendes Gesetz gäbe, habe er keine Probleme mit einer Überprüfung, teilte er auf Anfrage der taz mit. Als Ministerpräsident wollte Schröder aber dazu keinen Kommentar abgeben.
Noch 1991 hatten sich die vier Fraktionsvorsitzenden im Gespräch mit dem Landtagspräsidenten auf eine Überprüfung der niedersächsischen Abgeordneten und Landesminister geeinigt. Auch Johann Bruns sagt heute,
Wir hier auch nach Niedersachsens Abgeordneten gefahndet? — Eingang zur Gauck-BehördeFoto: C. Jeczawitz
daß er damals lediglich einige Bedenken vorgebracht, schließlich aber doch die Zustimmung der SPD signalisiert habe.
Nach dem Gespräch jedenfalls erhielt der Gesetzgebungs- und Beratungsdienst des Landtages von allen vier Fraktionsvorsitzenden den Auftrag, den Entwurf
hier bitte das Foto
vom Eingang der Gauck-
Behörde — kommt PER
LUFTFRACHT aus Berlin!!!
eines Überprüfungsgesetzes auszuarbeiten. Analog zur Regelung auf Bundesebene hat der Juristendienst des Landtages seine Vorschläge für das Verfahren erarbeitet. (s. Kasten).
Bei der Begründung für sein Nein geraten dem SPD-Landesvorsitzenden Johann Bruns Juristisches und Politisches durcheinander. Da meint Bruns etwa, daß schon jetzt ohne eine Gesetzesänderung zwar nicht der Landtag, aber jede Fraktion von sich aus die Überprüfung ihrer Mitglieder in die Wege leiten könne. Eigentlich möchte er aber am liebsten die ganze Überprüfung den Staatsanwaltschaften anvertrauen. „Anders als Abgeornete in den östlichen Bundesländern“, so sagt der SPD-Politiker, sei „für Abgeordnete aus den westlichen Landtagen ein Stasi-Kontakt immer auch strafrechtlich relevant“. Wer aus den westlichen Ländern heraus in der Vergangenheit Kontakt zur Stasi gehabt habe, der habe schließlich Umgang mit dem Geheimdienst einer fremden Macht gepflegt und stehe daher von vorherein im Verdacht der Spionage. Solche Straftatbe
stände haben für Bruns allein die Staatsanwaltschaften nachzugehen, wobei ja im Stasi-Unterlagengesetz geregelt sei, daß die Gauck-Behörde entsprechende Verdachtsmomente den Staatsanwaltschaften mitzuteilen habe.
Die niedersächsischen Grünen entgegnen dieser Argumentation ein aufrechtes „wir haben nichts zu verbergen“. Offenheit und Transparenz seien Grundsätze grüner Politik, deswegen werde man den geplanten Gesetzesänderungen zustimmen, erklärt die Abgeordnete Andrea Hoops aus dem Fraktionsvorstand.
Die Landtagsfraktionen von FDP und CDU mahnen derweil bei der SPD Gleichbehandlung der west- und der ostdeutschen Landtagsabgeordneten an. Natürlich öffnet das Nein der SPD zur Überprüfung auch den Spekulationen über Motive Tür und Tor. „Man könnte natürlich vermuten, daß bei der SPD einer sitzt, der schon weiß, warum er gegen die Überprüfung ist“, sagt der Sprecher der CDU-Landtagsfraktion. Aber solche Vermutungen will er dann „erst gar nicht anstellen“. Jürgen Voges
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen