Spion im Eiskanal

■ Von streng geheimen olympischen Eröffnungsfeiern und ersten entttarnten Stasi-Spitzeln

Berlin (dpa/taz) — Allergeheimste Komandosache ist bis heute, 18.22 Uhr die Eröffnungsfeier der XVI. Olympischen Winterspiele in Albertville. Schließlich sind derartige Zeremonien für die Veranstalter mittlerweile zu einem eigenen Wettkampf mit Nationenwertung geworden. Doch zuviel Pomp verrät: Derart bombastisch wird eingangs zelebriert, daß den zahlreichen Agenten vor Ort nicht alles verborgen blieb. So wurde ein verdächtiger Feuerball am Nachthimmel geortet, der explodiert, um im nächsten Moment zur olympischen Flamme zu metamorphieren. Aufmerksamen Ohren berichten von heftigem Getöse mit Pauken und Trompeten, lärmenden Disharmonien und schließlich furchtbarem Krach: Acht Düsenjäger heizen im Tiefflug durch das Tal. Zwischen den Zweitausendern jagen sie steil in die Wolken, liebliche Kondensstreifen in den Farben Olympias hinter sich herschleppend, die schließlich ein schützendes Dach über den 30.000 Zuschauern in Albertville malen. Diese gleichermaßen zauberhafte wie stimmungsvolle Vorführung beginnt leider drei Minuten zu spät, der französische Staatspräsident Fran¿ois Mitterand, der um 17.50 Uhr die Eröffnungsformel sprechen soll, muß sich gar bis weit nach 18 Uhr gedulden und hofft inbrünstig, daß es nicht regnet im Freiluftstadion. Da haben es die 300 Olympiabusfahrer besser getroffen. Sie sind immerhin überdacht untergebracht im leerstehenden Gefängnis nahe Albertville. Gerade rechtzeitig zu Olympiabeginn riß sich schließlich auch der erste Stasi-Spitzel der deutschen Mannschaft die Tarnkappe vom Gesicht: Bob-Pilot Harald Czudaj, im Viererbob ein Medaillenaspirant hat am Freitag seine Tätigkeit als Inoffizieller Mitarbeiter (IM) für den Staatssicherheitsdienst der ehemaligen DDR zugegeben. „Ich habe dem Deutschen Bob- und Schlitten-Verband am 4. Februar alles gestanden. Ich bin vom Stasi erpreßt worden. Ich habe keinem geschadet“, erklärte der 28jährige in der Sportschule Kienbaum bei Berlin.

Über einen Olympiastart müßten „jetzt andere entscheiden“. Zum Beispiel NOK-Generalsekretär und Chef de Mission Walther Tröger, der schon eine Medaille schwinden sieht: „Ich habe gewußt, daß es irgendwann kommt. In diesem Thema wird rumgegraben.“ Man stehe aber nicht „unter zeitlichem Druck“, das Finale im Viererbob ist erst in 14 Tagen. Auch NOK-Chef Willi Daume liegt Gold am Herzen. „Man darf altes Unrecht nicht durch neues ersetzen“, weiß der Greis. Erfrischend hingegen das eindeutig wahre Statement von Langläufer Jochen Behle: „Wir wußten doch alle, daß die Stasi überall ihre Hand im Spiel hatte. Deswegen fährt Czudaj jetzt doch nicht langsamer.“ miß