KOMMENTAR
: Zu geduldig

■ Frauen lassen sich zu leicht mit Brosamen abspeisen

Das Ritual läuft immer gleich ab: Auf dem Podium sitzen die »Guten«. Das »Böse« wird, wenn überhaupt, von einem verständnisvollen rechten Sozialdemokraten repräsentiert. Als erstes werden Allgemeinplätze der Art verkündet, Frauen hätten weniger Macht und Geld und einen geringeren Anteil an Führungspositionen. Dann fällt es jemandem auf, daß der Finanzsenator nicht am Tisch sitzt, den frau braucht, um an Geld zu kommen. Einen Repräsentanten jener frauenarbeitsplatzvernichtenden Dienstleistungszentren einzuladen ist niemandem eingefallen. Zum Schluß fordert frau die Hälfte des Himmels und läßt sich in den nachfolgenden Verhandlungen auf drei ABM-Stellen sowie einen Sachmittelzuschuß von 100.000 Mark runterhandeln, der ein Haushaltsjahr später wieder storniert wird. Warum wird nie darüber gesprochen, welche — meist formalen — Kriterien Männer ins Feld führen, um Frauen bei der Besetzung von Leitungspositionen zugunsten von ihresgleichen zu übergehen? Oder was frau dagegen unternehmen könnte? Warum wird nicht darüber diskutiert, warum Frauen-Netzwerke — noch — nicht funktionieren? Warum wird nicht zur Nichtwahl von Parteien aufgerufen, deren Vertreter frauenfeindliche Stellenpolitik betreiben? Und warum schaffen es Hunderte von Fachfrauen — von Hunderttausenden von Betroffenen ganz abgesehen — nicht, in Jahrzehnten wenigsten die bekannten Allgemeinplätze im öffentlichen Bewußtsein zu verankern? Frauen können noch einiges von den Bürgern der Ex- DDR lernen. Denn was die angeht, hat es sich im öffentlichen Bewußtsein erstaunlich rasch — und zu Recht! — festgesetzt, daß gleicher Lohn für gleiche Arbeit in Ost und West sein muß und daß Ost-Bürger anteilig repräsentiert sein müssen in Leitungsfunktionen. Aber Frauen sind wohl zu geduldig. Eva Schweitzer

Siehe auch Seite 22