„Schalom“-Flüchtlinge im Hungerstreik

Die aus Mecklenburg zurückgekehrten Asylbewerber halten seit fünf Monaten eine Norderstedter Kirche besetzt  ■ Aus Norderstedt Sannah Koch

Ein Spruchband „Hungerstreik“, eine Waage, ein Blutdruckmeßgerät — um diese Gegenstände bereichert zeigt sich seit Samstag der Gemeinderaum der Schalom-Kirchengemeinde in Norderstedt.

„Wir haben für unsere Menschenrechte nichts anderes mehr einzusetzten als unsere Körper“, so begründeten am Samstag fünfzehn Flüchtlinge ihre Entscheidung, für das Bleiberecht in Schleswig-Holstein in einen unbefristeten Hungerstreik einzutreten. Seit fünf Monaten harren die Männer und Frauen, aus Bulgarien, Zaire, Albanien und der Türkei (Kurdistan) in der Kirchengemeinde aus, seit sie im Herbst nach Angriffen von Rechtsradikalen aus Greifswald nach Schleswig-Holstein zurückgekehrt waren.

Seitdem versucht die stetig schrumpfende Gruppe (anfangs etwa hundert Menschen) jetzt mit allen Mitteln eine erneute Abschiebung in das verhaßte ostdeutsche Bundesland zu verhindern. Zu diesem Kampf gesellte sich in den vergangenen Wochen auch ein zähes Ringen mit dem Kirchenvorstand der Gemeinde, der sich durch den Dauerbesuch der Flüchtlingen und ihrer UnterstützerInnen zunehmend entnervt zeigt.

„Was wir in der Schalom-Kirche erdulden, ist die Strafe für unsere Flucht vor den Gewaltausbrüchen gegen Flüchtlinge“, verkündeten so auch die Hungernden. Streichung der täglichen Essensration, die nächtens ungeheizten Gemeinderäume, all das begreifen sie als Einschüchterungsversuche. Trotzdem zogen bislang nur fünf Flüchtlinge freiwillig in den Osten, so weiß ein Unterstützer. Sechs kehrten in ihre Heimat zurück und etwa fünfzig hätten sich zwar in Ostdeutschland angemeldet, lebten aber weiterhin illegal im Großraum Hamburg.

Die Ankündigung, ihre Asylverfahren würden nun bis Ende Februar beschleunigt abgeschlossen, schreckte die Gruppe auf. Dennoch wollten sie nicht das Risiko auf sich nehmen, nach Mecklenburg zu gehen. „So schnell können die solche Verfahren nicht abwickeln“, glaubte auch einer der Unterstützer.

„Rückflüchtlinge“ müssen zurück

Frankfurt/Main (taz) — Die hessische Ministerin für Jugend, Familie und Gesundheit, Iris Blaul (Die Grünen), hat angekündigt, den sogenannten Rückkehrerlaß noch in dieser Woche wieder aufheben zu wollen. Damit genießen „Rückflüchtlinge“, die aufgrund von gewalttätigen Übergriffen Rechtsradikaler aus den neuen Bundesländern zurück in den Westen geflüchtet waren, auch in Hessen kein Bleiberecht mehr. Das Land hatte in den letzten Monaten exakt 417 Rückkehrer wieder aufgenommen.

Zwar sei „klar“, so Blaul, daß sich die Gesamtsituation im Osten nicht wesentlich gebessert habe. Dennoch gebe es inzwischen funktionierende Strukturen im Flüchtlingshilfebereich und bei den Ausländerbehörden der neuen Bundesländer. Da die Erstaufnahmestellen in Hessen zur Zeit überbelegt seien, habe man sich deshalb zur Aufhebung des Erlasses, für den das Land etwa auch vom SPD-regierten Schleswig-Holstein kritisiert wurde, entschlossen. Kpk