Drogenfreie Jugendszene ist eine Illusion

■ »akzept e.V« fordert eine Politik, die den Drogengebrauch akzeptiert/ Repression hilft nur Dealern

Berlin. Achttausend Berliner und Berlinerinnen hängen an der Nadel. Etwa vierhundert Heroinabhängige werden mit der Ersatzdroge Polamidon substituiert. Nach Ansicht von »akzept e. V.«, Bundesverband für akzeptierende Drogenarbeit, sind das viel zu wenige. Jetzt ist der Verein, der sich im April 1990 als »Gegengewicht zur traditionellen Drogenpolitik«, gegründet hat, mit seinen Forderungen an den Berliner Senat herangetreten. Die drogenpolitischen Vorstellungen von »akzept e.V.« gehen über eine Ausweitung der Methadonvergabe bis hin zu einer schrittweisen Legalisierung aller Drogen.

Als »verhängnisvoll« bezeichnete Ingo Ilja Michels, »akzept«-Vorstandsmitglied, gestern die Berliner Drogenpolitik unter Federführung von Jugendsenator Thomas Krüger (SPD). Die Berliner Sozialdemokraten sollen endlich auf den Kurs der Bundespartei einschwenken, fordert er. Dort werde bereits seit längerem, insbesondere von Hamburgs Oberbürgermeister Henning Voscherau, eine liberale Drogenpolitik zumindest angedacht. Zu dieser gehörten Druckräume ebenso wie Spritzenaustausch- und Methadonprogramme — Forderungen, die Berlins Drogenbeauftragter Wolfgang Penkert seit Jahren ablehnt.

Langfristig, so Wolfgang Kappeler, Professor für Sozialpädagogik an der TU, müsse auch über eine Legalisierung aller Drogen nachgedacht werden. »Wir kommen nicht darum herum. Nur die Weltorganisation der Dealer, wenn es sie gäbe, würde eine weitere Illegalisierung fordern. Nur die garantiert nämlich ihren Profit.«

Auch in der Drogenerziehung will »akzept e.V.« einen neuen Ansatz finden. »Drogenberatung muß wörtlich genommen werden«, meint Professor Kappeler. Insbesondere Jugendliche, die in der Regel experimentierten, müßten lernen, damit umzugehen. »Es ist ein hoffnungsloser Versuch, Jugendfreizeiteinrichtungen drogenfrei zu halten«, so Kappeler. »So drängt man die Jugendlichen nur in subkulturelle Zusammenhänge.« Drogenberatung könne sich nicht in purer Abschreckung erschöpfen.

Therapeutisch wendet sich »akzept e.V.« gegen die sogenannte »Leidenstheorie«. Die Vision, Drogenabhängige erst einmal halb verrecken und in der Gosse landen zu lassen, weil erst dann der Wille zum Ausstieg stark genug wäre, sei gescheitert. »Statt sie auszugrenzen, müssen wir das Bedürfnis junger Leute nach Rauscherlebnissen akzeptieren und damit arbeiten«, sagt Monika Heidig von der Kreuzberger Jobbörse, die zu diesem Zweck einen »Arbeitskreis Junger DrogengebraucherInnen« durchführt, an dem sich neben Experten inzwischen auch Eltern beteiligen. jgo