Die rasende Weißwurst

■ Feldwebel „Hacklschorsch“ rodelte gülden

La Plagne (dpa/taz) — In seiner- weißsilbrigen Pelle erinnerte Georg Hackl alias „Hacklschorsch“ schwer an eine bayerische Weißwurst, doch er flutscht eindeutig besser. In vier Durchgängen raste der Zweite von Calgary dreimal in Bestzeit und mit einer Spitzengeschwindigkeit von 126,3 Stundenkilometern die 1,4Meter breite Eisrinne hinunter, ohne auch nur ein einziges Mal anzuwandeln. Wie ein Irrer hatte der Berchtesgadener für Olympia geübt, doch die Frage war, ob das Nervenkostüm hält. Ein kleiner Zögerer nur, ein winziger Fehler am alles entscheidenden Start, ein kaum merkliches Herausdrehen aus der Körperstarre, und hin ist die Ideallinie, und mit ihr die entscheidenden Tausendstelsekunden.

Doch Georg zitterte nicht. Besonders der vieltrainierte Start gelang vorbildlich: In Entenmanier platschten seine fürs Bobfahren eigentlich zu kurz geratenen Arme ins Eis, die Füßen rückten in zwar alberne, aber zweckmäßige X-Haltung, die Arme kamen unter den Leib, und ab gings in die Röhre. Auf insgesamt 3:02,363 Minuten kam Hackl am Schluß und schickte damit seine beiden Hauptkonkurrenten, die Österreicher Markus Prock (3:02,669) und Markus Schmidt (3:02,942) eins tiefer aufs Podest. Olympiasieger von 1988, Jens Müller (Oberhof), wurde Fünfter, Europameister René Friedel (Winterberg) Achter. „Wenn Schorsch nur einigermaßen runterkommt, ist ihm das Gold nicht mehr zu nehmen“, wußte Bundestrainer Sepp Lenz nach den ersten beiden Durchgängen vom Vortag. Doch da hatte er noch nicht mit René Friedel gerechnet, der einen furchtbaren Anschlag auf die Hacklesche Nachtruhe verübte: Der Zimmergenosse von Goldgeorg schnarchte laut und vernehmlich. Hackl: „Aber sonst war alles o.k.“

Überhaupt hatte sich der nervenstarke Schlosser, der sich sein Training von der Sportförderkompanie der Bundeswehr bezahlen läßt, nichts „elendiglicher gewünscht“ als Olympisches Gold, das einzige, was ihm noch fehlte. Der sechsmalige Deutsche Meister feierte 1985 seinen ersten großen Erfolg als Junioren- Weltmeister. Mit Stefan Ilsanker wurde er Vizeweltmeister im Doppelsitzer (1987). Ab 1988 machte Hackl den Rodelsport in den alten Bundesländern populär durch sein offenes, direktes bayerisches Wesen — lange galt er neben Abfahrtsläufer Markus Wasmeier als der Dialektschreck eines jeden Interviewers. Er holte den Europameistertitel und die olympische Silbermedaille in Calgary. Danach sammelte der 25jährige zwei Weltmeistertitel im Einzel, einen mit der Mannschaft, zweimal den Weltcup und einen Vizeweltmeistertitel. Vor fünf Wochen wurde er Dritter bei der Europameisterschaft in Winterberg. miß