KOMMENTARE
: Tudjman in der Zwickmühle

■ Milosevic kann den Bruch mit Babic riskieren, weil die UNO seine Politik unterstützt

Der Provinzpolitiker und „Präsident“ der „Serbischen Republik Krajina“, Milan Babic, hat eine empfindliche Niederlage einstecken müssen. Denn mit dem Beschluß „seines“ Parlamentes, den Friedensplan der UNO für das Gebiet der Krajina zu akzeptieren, haben sich die meisten Repräsentanten der Serben in den „befreiten“ Gebieten Kroatiens auf die Strategie des serbischen Präsidenten Milosevic einschwören lassen. Ihnen stand wohl auch vor Augen, daß ein anderes Votum die Serben dieses Gebietes vollends isoliert hätte. Die Entscheidung zeigt aber auch, daß die meisten Serben der Krajina die Herrschaft der rechtsradikalen und grotesken Soldateska, auf die sich Babic stützt, leid sind: Nicht nur Kroaten mußten unter ihr leiden, auch Serben wurden zunehmend von ihr betroffen.

Doch der Sieg Milosevics über seinen härtesten Widersacher wurde auch durch das Verhalten der UNO gefördert. Offiziell unwidersprochen blieb bisher nämlich die Belgrader Interpretation des UNO-Plans. Wenn serbische Politiker öffentlich erklären können, die Stationierung der Blauhelme würde die serbischen Gebiete aus dem Herrschaftsbereich der Republik Kroatien lösen, werden die schlimmsten Befürchtungen in Kroatien geweckt. Die ursprüngliche Kompromißformel enthielt das Versprechen, daß mit dem Rückzug der jugoslawischen Armee und der Entwaffnung der Freischärler kroatische Staatsorgane zusammen mit den örtlichen serbischen Behörden an der Verwaltung beteiligt seien. Die Grenzen des Staates Kroatien waren im UNO-Plan bisher auch nicht in Frage gestellt. Immerhin waren die Kroaten bereit, der serbischen Selbstverwaltung vor Ort einen breiten Spielraum einzuräumen und die von Serben dominierten Gebiete in Kroatien als Sondergebiete mit weitgehenden Autonomierechten zu definieren.

Wenn von diesem so verstandenen Kompromiß jetzt in New York abgerückt worden sein sollte, bleibt der kroatischen Regierung nichts anderes übrig, als den UNO-Plan zu negieren. Die neuesten Äußerungen Tudjmans geraten um so widersprüchlicher, je länger mit klärenden Worten von seiten der UNO gewartet wird. Unter diesen Umständen ist der Schluß nicht ganz von der Hand zu weisen, die serbienfreundliche Haltung der UNO könnte die kroatische Regierung zu Verzweiflungstaten drängen. Denn wenn Kroatien nun versuchte, den UNO-Plan zu torpedieren oder gar die verlorenen Gebiete mit Waffengewalt zurückzuerobern, stünde Tudjman als Aggressor da. Nichts könnte dem geschickten Taktiker Milosevic mehr passen. Erich Rathfelder