Entsorgungs-Sorgen

■ In Greifswald schlägt für die Umweltministerin bald die Stunde der Wahrheit

Entsorgungs-Sorgen In Greifswald schlägt für die Umweltministerin bald die Stunde der Wahrheit

Nun also doch nach Greifswald. Als die westdeutsche Stromwirtschaft sich nach dem Zusammenbruch des preußischen Realsozialismus umgehend im Osten einkaufte, umschlich sie den strahlenden Reaktorstandort im äußersten Zipfel Mecklenburg-Vorpommerns wie einst die Römer das sagenhafte Gallierdorf Kleinbonum. Man verzichtete schließlich klug auf den Einmarsch und ersparte sich so schwerste finanzielle Blessuren. Heute sind die Karten weitgehend verteilt. Längst ist ausgemacht, daß die Treuhand allein für die milliardenschwere Entsorgung der stillgelegten Atomzentrale wird geradestehen müssen. Das Abrißunternehmen wider Willen will nicht auch noch auf unbestimmte Zeit Betreiber eines atomaren Zwischenlagers werden. Aber das Strahlenlager wird gebraucht, und diese Tatsache treibt den Preis nach oben. Die Weststromer verlangen für ihr verspätetes Engagement Stellplätze für den eigenen Strahlenmüll. Statt Milliardenverlusten winkt ihnen nun der Ausweg aus der eigenen Entsorgungsklemme — zumindest für ein paar Jährchen. Warum auch nicht den Atomabfall da konzentrieren, wo es eh schon am heftigsten strahlt.

Vor Ort sieht man das naturgemäß ein wenig anders. Der Unmut über die aus dem Westen zusätzlich anrollende Atommüllawine ist weitverbreitet und macht auch vor den Regierungsparteien CDU und FDP in Mecklenburg-Vorpommern nicht halt. Die Angelegenheit paßt ja auch zu schön ins Schema neudeutscher Tristesse: Den Wessis den „sauberen“ Atomstrom, den Ossis den Müll. Die Landesregierung reagierte bisher verschreckt und doppelzüngig. Nach außen gegen, nach innen für das „nationale Zwischenlager“. Spätestens wenn der Genehmigungsantrag auf ihrem Tisch liegt, schlägt für Umweltministerin Petra Uhlmann die Stunde der Wahrheit. Stimmt sie dem Westmüllimport zu, wird sie ihren Umfaller der Öffentlichkeit und dem Schweriner Parlament, das einmütig das Gegenteil beschloß, schwerlich erklären können. Versperrt sie den Atommüllimporteuren aus dem Westen den Weg nach Greifswald, werden diese auch für den heimischen Strahlenmüll keinen Finger rühren. Die Frage, was aus der Reaktorruine wird, wäre wieder völlig offen.

Wandelt Petra Uhlmann auf den Spuren Joschka Fischers? Wird auch sie demnächst Genehmigungsanträge zu Tode prüfen und anschließend zum „bundesaufsichtlichen Gespräch“ bei ihrem Parteifreund Klaus Töpfer antreten müssen? Wohl kaum.

Eine Regierung, die stets den Weiterbetrieb und Neubau von AKWs verlangt, wird irgendwann sagen müssen, wo die wachsenden Atommüllhalden landen sollen. Das unterscheidet sie von solchen Ländern, die sich von der nuklearen Stromproduktion möglichst bald verabschieden wollen. Den Menschen vor Ort kann man nur zweierlei wünschen: erst hinhaltenden Widerstand, dann eine andere Regierung. Gerd Rosenkranz