Japan steuert auf neue Regierungskrise zu

Tokio (taz) - Kaum drei Monate im Amt, wackelt bereits der Stuhl von Japans Regierungschef Kiichi Miyazawa. Bestechungsskandale in der eigenen Fraktion, fehlendes Durchsetzungsvermögen bei Reformvorhaben und eine am Wochenende verlorengegangene Parlamentsnachwahl haben dem politischen Ansehen des Premierministers innerhalb kürzester Zeit großen Schaden zugefügt. Noch am Montag abend blockierten die japanischen Oppositionsparteien — gestärkt durch den unerwarteten Wahlsieg — die Parlamentsberatungen über den Staatshaushalt. Sollte es Miyazawa nicht schaffen, das Budget wie gesetzlich vorgeschrieben bis zum 31. März zu verabschieden, ist eine Regierungskrise vorprogrammiert. Und dafür spricht derzeit alles.

„Ein Führer, der verloren hat, sagt nichts“, zitierte der Premier am Montag ein altes Sprichwort. Die klare Niederlage seiner liberal-demokratischen Partei (LDP) bei einer nachgezogenen Oberhauswahl in Nara schmälert die Chancen bei den turnusgemäßen Oberhauswahlen im Sommer erheblich. Für die meisten japanischen Kommentatoren ist längst nicht mehr sicher, ob Miyazawa zu den Wahlen im Juli überhaupt noch antreten wird.

„Der Grund der Wahlniederlage“, befand Arbeitgeberpräsident Gaishi Hiraiwa unwidersprochen, „ist der Kyowa-Skandal.“ In den vergangenen Wochen machten fast täglich Enthüllungen Schlagzeilen, Mitglieder der LPD-Fraktion hätten neue Bestechungszahlungen der bankrotten Stahlfirma Kyowa erhalten. Die Regierung fiel dabei in öffentliche Ungnade. Drei von Miyazawas engsten politischen Freunden, darunter der ehemalige Premierminister Zenko Suzuki, stehen heute unter dem Verdacht, Bestechungsgelder zwischen 300.000 und 1,5 Millionen Mark angenommen zu haben.

Besonders peinlich ist dabei, daß Miyazawa noch zu Jahresbeginn eine Reform der Partei- und Wahlkampffinanzen auf den Sankt-Nimmerleins-Tag verschoben hatte. Nun muß er diese Pläne wieder hervorholen, um die Handlungsfähigkeit seiner Regierung unter Beweis zu stellen. Doch für die gleichen Reformen, über die man schon im vergangenen Jahr innerhalb der Regierungspartei zerstritten war, findet der Premierminister heute weniger politischen Rückhalt denn je im Parlament. Georg Blume