Birmas Militär setzt Offensive fort

Kriegszustand im Grenzgebiet zu Thailand/ Birmanische Moslems und Karen-Minderheit fliehen weiterhin nach Bangladesch und Thailand/ Massenverhaftungen von birmanischen Beamten und Politikern  ■ Von Larry Jagan

Tausende birmanischer Flüchtlinge fliehen immer noch über die Grenzen nach Thailand, Bangladesch und Indien, um den militärischen Offensiven der Junta in Rangun zu entgehen. Allein in Bangladesch treffen täglich Hunderte von birmanischen Moslems ein, mit neuen Berichten von Zwangsrekrutierungen für die Armee, von Vergewaltigungen und Mord.

Inzwischen hat die alljährlich in der Trockenzeit stattfindende Offensive das an der Grenze zu Thailand gelegene Gebiet der ethnischen Minderheit der Karen zur Kriegszone gemacht. Nach Informationen von Beobachtern, die gerade vom Hauptquartier der Karen in Manerplaw an der thailändischen Grenze zurückgekehrt sind, kämpfen Hunderte Studenten an der Seite der Karen-Soldaten. Auch einige Mitglieder der oppositionellen National League for Democracy — die bei den Wahlen im Mai 1990 eine eindeutige Mehrheit errungen hatte, ohne daß sich die Militärjunta bereitgefunden hat, die Macht abzutreten — beteiligen sich an der bewaffneten Verteidigung von Manerplaw. Führer der Karen haben erklärt, über 800 birmanische Soldaten seien bei den Kämpfen umgekommen, aber auch die Karen hätten hohe Verluste zu beklagen.

Die Junta meldet starke Erfolge ihrer Kampagne gegen die Karen, doch Beobachter an der Grenze glauben, daß das birmanische Militär gegenwärtig starke logistische Probleme habe. Die Armee rekrutiert gewöhnlich lokale Dorfbewohner als Träger bei ihren militärischen Aktionen. Diesmal jedoch findet es die Armee zunehmend schwierig, Träger zu finden, da viele jede Gelegenheit nutzen, zu fliehen.

Augenzeugen berichten, daß Soldaten im Dezember in einem kleinen Dorf 200 Kilometer nördlich von Rangun alle tauglichen Männer auf dem Markt, aus den Cafés und Videokinos gefangengenommen hätten. Die meisten von ihnen waren Bauern, sie wurden zu Trägerdiensten gezwungen. In vielen Dörfern, heißt es aus Birma, werden zunehmend Frauen, Kinder und alte Männer festgenommen und zum Militärdienst verpflichtet.

Unterdessen geht die Repression jeglicher oppositioneller Tendenzen im Lande weiter. Im vergangenen Monat berichtete Radio Rangun, der Chef der NLD, Tin U, sei aus der Partei ausgeschlossen worden, zusammen mit elf weiteren Mitgliedern. General Tin U, der 1989 verhaftet worden war, hat die NLD gemeinsam mit Aung San Suu Kyi begründet, die im vergangenen Jahr den Friedensnobelpreis erhielt. Die Junta in Birma zwang die NLD ebenfalls, Aung San Suu Kyi auszuschließen. Dies wurde von der provisorischen Gegenregierung, die aus gewählten NLD-Mitgliedern besteht, die nach Manerplaw geflüchtet waren, nicht anerkannt.

Im vergangenen Monat sind vier weitere Parlamentsabgeordnete, alle ethnische Kachin, über die Grenze geflohen und werden sich voraussichtlich der Gegenregierung anschließen. Die Abgeordneten, die von mehreren führenden NDL-Aktivisten aus dem Kachin-Staat an der nordöstlichen Grenze begleitet wurden, haben erklärt, sie seien vor einer neuen Verhaftungswelle geflohen. Diese richtet sich gegen alle Beamten und Politiker, die sich geweigert haben, einen Fragebogen über ihre politischen Einstellungen auszufüllen, den die Junta im vergangenen Jahr ausgegeben hatte. Nach Informationen von amnesty international sind nun über 60 Parlamentsmitglieder seit dem Wahlsieg der NDL im Mai 1990 im Gefängnis.

Nach Informationen birmanischer Dissidenten sind auch bis zu 800 Studenten immer noch in Haft, die sich an den Demonstrationen in Rangun und Mandalay anläßlich der Verleihung des Friedensnobelpreises an Aung San Suu Kyi beteiligt haben. Seit dem 12. Dezember sind alle Hochschulen in Birma geschlossen. Nach Informationen von Diplomaten in Birma wurden über hundert sechzehn- bis siebzehnjährige SchülerInnen Ende Dezember in Rangun festgenommen, um politische Unruhen anläßlich der Wiedereröffnung der Schulen zu verhindern. Das Militär macht vor allem die Lehrer für die Studentenunruhen des vergangenen Jahres verantwortlich.

Die Proteste hatten viele Beobachter erstaunt, da es so geschienen hatte, als habe das Militär jeden Dissidenten im Lande effektiv zum Stillschweigen gebracht.

Die birmanische Militärführung scheint allerdings zunehmend besorgt über ihr Image im Land. Obwohl sie den Boykott buddhistischer Mönche, die sich geweigert hatten, religiöse Zeremonien für das Militär durchzuführen, Ende 1990 niedergeschlagen hat, zeigen sich viele Mönche weiterhin unkooperativ. Daher habe die Junta im vergangenen Jahr in der 'Working People's Daily‘ jeden Tag viele Fotos von Militärs in Uniformen gezeigt, die in Pagoden und mit ausgewählten Mönchen abgebildet wurden, erklärte ein hochrangiger buddhistischer Mönch. Hunderte von Mönchen, die sich an dem Boykott beteiligt hatten, sollen in Geheimprozessen zu Gefängnisstrafen zwischen drei und zehn Jahren verurteilt worden sein.

Um die politische Kontrolle im Land weiter zu stärken, hat sich die Junta Anfang dieses Monats um drei weitere Mitglieder verstärkt. Alle drei sind Generalmajore. Dazu gehören die mächtigen Kommandeure der Nordwestregion, zuständig für die Grenze zu Indien, und der Kommandeur der Südostregion.