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Gewerkschaft legt Nahverkehr lahm

■ In der Tschechoslowakei wurde gestern das staatliche Transportunternehmen CSAD bestreikt/ Die Gewerkschaft verlangt eine grundsätzliche Lösung des defizitären Verkehrssystems

Aus Prag Sabine Herre

In der CSFR hat der Umbau des ökonomischen Systems zum ersten Mal zu einer größeren Streikaktion geführt. Fast alle Autobusse des staatlichen Transportunternehmens CSAD blieben in Böhmen und Mähren gestern in ihren Garagen. Vier Millionen Fahrgäste mußten auf Eisenbahn und Autos umsteigen; Zehntausende kamen zu spät zur Arbeit.

Der unabhhängige Gewerkschaftsverband des öffentlichen Nahverkehrs will mit der eintägigen Aktion seinen Forderungen nach einer konzeptionellen Lösung des Verkehrssystems Nachdruck verleihen. Nachdem die Subventionen für CSAD in diesem Jahr um die Hälfte gekürzt wurden, wird bereits seit Wochen mit Arbeitgebern und Regierung über zukünftige Finanzierungsmöglichkeiten verhandelt. Dabei setzt die tschechische Regierung auf eine Reduzierung der Autobuslinien um bis zu 15 Prozent; gleichzeitig sollen die Fahrkarten für Arbeitnehmer und Schüler um das Doppelte, der reguläre Fahrpreis um 20 Prozent erhöht werden. Da in der Slowakei die Subventionen nicht im gleichen Umfang gekürzt wurden, unterstützen die slowakischen Gewerkschaftler die Forderungen ihrer Kollegen lediglich symbolisch.

Obwohl die USAD-Arbeiter schon seit Mitte Januar streikbereit sind, kam die Entscheidung für die Aktion überraschend. Denn noch am vergangenen Donnerstag hatten sich die drei Verhandlungspartner auf ein Finanzierungsmodell geeinigt, daß neben Rationalisierungsmaßnahmen und Preiserhöhungen auch erneute Subventionen vorsah. Bereits einen Tag später wurde dieses Ergebnis dann jedoch von der Gewerkschaft wieder in Frage gestellt. Ihrer Ansicht nach sei lediglich die Finanzierung für 1992 gesichert worden, eine grundsätzliche Lösung habe man wieder nicht gefunden. Doch genau dieses Abrücken von dem Kompromiß bietet der Regierung nun Anlaß, den Streik scharf zu verurteilen. Wirtschaftsminister Karel Dyba stellte fest, dem Transportunternehmen gehe es nicht schlechter als anderen Betrieben; die Aktion sei daher „politisch motiviert“.

Auch die Bevölkerung steht dem Streik mehrheitlich ablehnend gegenüber. Angesichts völlig veralteter Busse kennen zwar gerade die Fahrgäste die Finanzmängel der CSAD nur zu gut; gleichzeitig sind sie jedoch der Meinung, daß die Aktion der von einem starken Produktionsrückgang belasteten Industrie unverhältnismäßig hohen Schaden zufügen wird. Schon heute wird damit gerechnet, daß die Betriebe, die durch den Ausfall ihrer Arbeitskräfte die Produktion drosseln müssen, an die CSAD Schadensersatzforderungen stellen werden. Um die zu erwartenden Schäden so gering wie möglich zu halten, haben dann auch mehrere private Transportunternehmen ihre Busse für einen Ersatztransport zur Verfügung gestellt. Im Rundfunk wurden die Autofahrer aufgefordert, die nach ihrem Bus Ausschau haltenden Arbeitnehmer mitzunehmen.

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