Die Geborgenheit der Zwangsjacke

In einer Welt zunehmender Unsicherheit bietet Opus Dei Eindeutigkeit und Zugehörigkeit  ■ Aus Madrid Antje Bauer

77.000 Mitglieder, davon 1.500 Priester, hat Opus Dei. Hinter Spanien kämpfen Italien und Mexiko um den zweiten Platz an Mitgliederzahlen. Seit Papst Johannes Paul II. der Theologie der Befreiung in Lateinamerika das Wasser abgräbt, ist der ideologische Gegenspieler, das rechte elitäre Opus Dei, dort auf dem Vormarsch. Auch in Osteuropa, vor allem in Polen, ist das „Werk Gottes“ nicht untätig. Der Papst selbst soll den Leiter von Opus Dei in Rom, Alvaro del Portillo, mehrfach ermahnt haben, die Tätigkeit in seinem Heimatland aufzunehmen. Seit 1986 organisiert Opus Schüleraustausche mit polnischen Jugendlichen, nach Angaben der spanischen Presse hat es in Polen mehrere Häuser für Numerarien eingerichtet und verfügt bereits über eigenen Klerus. Eine notwendige Voraussetzung für jegliche Missionsarbeit des Opus: Mitglieder des Werks müssen einmal die Woche beichten und dürfen dafür nur Priester des Werks aufsuchen. Da die „Numerarien“, die ein Keuschheitsgelübde ablegen und als die eigentlichen Mitglieder des Opus anzusehen sind, in eigenen Häusern leben müssen, in denen sie keinem unkontrollierten Kontakt mit dem anderen Geschlecht ausgesetzt sind, geht die Missionsarbeit in Osteuropa nach Vermutungen eines deutschen Opus- Experten langsamer voran, als zu erwarten wäre: Im Gegensatz zu dezentralisierten Orden, die unter den Armen leben, benötigt Opus eine ausgearbeitete Infrastruktur, und die muß im Osten erst noch geschaffen werden.

Polen scheint das Haupteinzugsgebiet von Opus Dei unter den osteuropäischen Ländern zu sein — in der CSFR ist der religiöse Eifer weniger stark ausgeprägt, und in der GUS macht die orthodoxe Kirche gegen die militanten Katholen mobil. Sicher nicht zufällig wurde der spanische Soziologe Alberto Moncada kürzlich aus der GUS um die Erlaubnis gebeten, sein Buch gegen das Opus Dei ins Russische übersetzen zu dürfen. Hingegen scheint es Bemühungen zu geben, das Opus auch in der ehemaligen DDR einzuführen.

In Zeiten allgemeiner Verunsicherung darf das nicht weiter verwundern. Das Opus ist keine mystische Vereinigung, die individuelle Höhenflüge fördert, sondern ein Familienersatz, der das Leben seiner Mitglieder bis ins Kleinste hinein reguliert. Opus-Dei-Mitglieder müssen drei Stunden am Tag einen stachelbewehrten Gürtel um die Oberschenkel tragen und sich regelmäßig geißeln. Der Tag ist eine Abfolge von Gebeten und Riten, die die eigene Benotung der Erfüllung der religiösen Pflichten ebenso einschließt wie die genaue Auflistung jeder einzelnen Ausgabe. Jeder Gedanke, jede Kritik, muß nicht nur dem Beichtvater des Opus, sondern auch dem „geistigen“ Direktor mitgeteilt werden, einem Mitglied, das meist nur wenige Jahre älter ist. Die Korrespondenz wird zensiert, Kontakte zur Familie weitgehend eingeschränkt. Zu dieser geistigen Abhängigkeit, in der das Opus die gesamte Außenwelt ersetzt (s. Interview) kommt im Falle der Numerarien die finanzielle. Wer Numerarius wird, muß sein gesamtes Hab und Gut wie auch seine Einkünfte dem Opus vermachen bzw. auf eins seiner Mitglieder übertragen. Wer das „Werk Gottes“ verlassen will, sieht sich jäh nicht nur seiner emotionalen, sondern häufig auch seiner finanziellen Sicherheit beraubt. Miguel Fisac, bekannter spanischer Architekt und langjähriges Opus-Mitglied, berichtet, nach seinem Weggehen aus dem Opus seien eine Reihe Arbeitsaufträge im nachhinein zurückgezogen worden— auf Druck des „Werks“. Häufig werden abtrünnige Mitglieder vom Opus unter Druck gesetzt und diffamiert. Ein ehemaliges Mitglied reagierte auf einen Kontaktversuch seitens der taz geradezu panisch. Sie habe nichts zu erklären, versicherte sie, und darüber hinaus könne schon ein einziges Adjektiv ausreichen, um sie kenntlich zu machen und der Verfolgung auszusetzen. Doch die drin bleiben, leben in einem festen Hort. Masochistisch, aber sicher.